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0918 - Auf der Schwelle der Zeit

0918 - Auf der Schwelle der Zeit

Titel: 0918 - Auf der Schwelle der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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meinem ersten Besuch nichts davon bemerkt?«
    »Hattest du einen Führer?«
    Zamorra dachte an Bryont Saris ap Llewellyn, der ihn vor fast dreißig Jahren durch eine Wand in Llewellyn-Castle gestoßen hatte, um ihn zur Quelle zu bringen. »Könnte man so sagen, ja.«
    »Dann hast du deshalb keine Verlockung verspürt. Wenn ein Auserwählter jedoch ohne Führung in der Nähe eines offenen Tores zur Quelle ist, ruft sie ihn zu sich. Außer er war schon einmal hier, so wie du!«
    »Ich verstehe es auch nicht! Aber ich spreche die Wahrheit. Vielleicht habe ich den Ruf deshalb gehört, weil ich mich beim Durchschreiten des Monolithen in einer Zeit befunden habe, die vor meinem ersten Besuch der Quelle lag?« Er schabte sich am Kopf. »Nein, das kann auch nicht sein, denn dann wäre ich aus Sicht der Quelle damals bereits zum zweiten Mal hier gewesen, was - wie du sagst - nicht erlaubt gewesen wäre. Oder habe ich vielleicht deshalb damals den Ruf nicht vernommen?«
    Die Hüterin senkte ihr Schwert um einige Zentimeter. Nun stahl sich doch ein kaum wahrnehmbares Schmunzeln in ihr Gesicht. »Versuchst du gerade, dir etwas zu erklären, das zu verstehen du nicht in der Lage bist? Bemüh dich nicht. Auf Fragen, die mit der Zeit zu tun haben, gibt es für Menschen keine verständlichen Antworten. Und hier schon gar nicht.«
    Da erinnerte sich Zamorra an ein Phänomen, das ihm bei seinem ersten Besuch aufgefallen war. Er sah auf seine Armbanduhr. Sie hatte die Strapazen der letzten Minuten offenbar schadlos überstanden. Zumindest das Glas war unversehrt. Aber wie schon damals war sie stehen geblieben. Es war beinahe so, als verginge hier keine Zeit.
    Doch auch dieser Gedanke konnte nicht zutreffen, denn schließlich kamen nacheinander immer wieder Auserwählte an die Quelle. Wenn hier aber keine Zeit verging, müssten sie doch alle gleichzeitig am Teich stehen, oder nicht?
    In Zamorras Kopf begann sich alles zu drehen.
    »Der Zeitablauf hier ist ein anderer, als du ihn aus deiner Welt kennst.« Nun senkte die Hüterin ihr Schwert vollständig. »Er ist nicht linear. Alles geschieht gleichzeitig und trotzdem im Abstand von Jahrtausenden. Du hast gefragt, wo Casril ist. Er ist noch hier und steht direkt neben dir. Zugleich ist er aber auch schon seit langen Jahren wieder weg und noch gar nicht hier angekommen. So ist es, seit die Quelle existiert.«
    »Wie lange ist das schon?«
    »Seit Jahrmillionen! Seit Minuten! Seit zwanzigtausend Jahren! Was macht das für einen Unterschied? Zeit, wie du sie kennst, ist nichts weiter als eine Truhe voller Augenblicke. Wenn man sie schüttelt, purzelt alles übereinander oder treibt auseinander. Später ist plötzlich früher, immer wird zu nie.«
    Der Professor schüttelte den Kopf. »Wenn aber alles gleichzeitig geschieht, warum wusstest du dann nicht, dass ich noch einmal zur Quelle komme?«
    »Du versuchst immer noch, es zu verstehen. Lass es! Aber lass dir dies noch sagen: Immer wenn ein Auserwählter hier ist, gleicht sich der Zeitablauf der Quelle dem der Welt des Auserwählten an. Nicht, weil sie das müsste, sondern weil sie den Verstand des Auserwählten nicht überfordern will. Deshalb siehst du Casril nicht mehr hier. Er ist in seinem Zeitablauf, du bist in einem anderen. Und nun gib dich mit dem zufrieden, was ist. Vergiss das Warum.«
    Zamorra wollte noch etwas sagen, doch er verbiss es sich. Die Hüterin hatte recht. Es brachte nichts ein.
    »Na gut. Aber nimm mir bitte ab, dass es nie meine Absicht war, die überlieferten Gesetze zu brechen.«
    Die schöne Frau sah ihm eindringlich in die Augen. Der Ansatz des Lächelns war aus ihrem Gesicht verschwunden. Stattdessen wirkte sie nun prüfend, beinahe schon sezierend. Der Professor hielt dem Blick dennoch stand.
    »Es fällt mir schwer, das zu glauben, Unsterblicher. Schon damals, als du das ewige Leben empfangen hast, warst du ein widerborstiger Regelbrecher.«
    Der Meister des Übersinnlichen kniff die Augen zusammen. Aus ihrer Sicht hatte die Hüterin recht. Denn Lord Bryont hatte ihn nicht alleine hierher geschickt. Ein zweiter Auserwählter namens Torre Gerret hatte den Weg ebenfalls beschritten. Nach einem Gesetz der Quelle konnte nur einer der beiden die Unsterblichkeit verliehen bekommen. Deshalb versuchte Gerret, Zamorra zu töten. Doch er scheiterte. Als anschließend die Hüterin vom Professor verlangte, nun Gerret das Leben zu nehmen, weigerte er sich. Die Hüterin faselte zwar etwas von den alten Gesetzen der

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