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0918 - Auf der Schwelle der Zeit

0918 - Auf der Schwelle der Zeit

Titel: 0918 - Auf der Schwelle der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Himmel.
    Der Professor schaute nach oben - und fühlte, wie ihm die Kehle eng wurde.
    »Mein Gott! Was ist das?«
    Der Himmel war übersät von schwarzen Pusteln. Sie sahen aus wie gefährliche, bösartige Leberflecke. Manche von ihnen bewegten sich, pulsierten, dehnten sich aus. An anderen Stellen riss eine unbekannte Macht das Grau der Wolken auf und durch die Wunden schob sich eine amorphe, schwarze Masse, die in diese Welt hineingriff und blind umhertastete. An wieder anderen Stellen weinte der Himmel teerige, ölige Tränen. Wo sie aufschlugen, wurde die ohnehin schon kärgliche Vegetation vollständig zerstört.
    »Das Dunkel bricht herein, Unsterblicher.«
    »Das Dunkel? Was ist das?«
    »Das Ende der Quelle! Mehr weiß auch ich nicht.«
    »Warum passiert das?«
    »Das geschieht, wenn zu schnell zu viel der geronnenen Zeit von diesem Ort wegströmt. Deshalb darf immer nur ein Mensch von der Quelle trinken, um ihre Stärke zu erhalten. Kannst du es mir verdenken, dass ich dich für den Verantwortlichen gehalten habe? Ein Mensch, der der Quelle schon einmal mehr entnommen hat, als ihm eigentlich zusteht, und der nun ein zweites Mal hier erscheint, obwohl das weder erlaubt noch möglich ist?«
    »Nein, ich verstehe dich. Aber könnte es nicht vielleicht auch sein, dass mich die Quelle gerade deshalb noch einmal zu sich gelockt hat? Vielleicht hat sie meine Anwesenheit gefühlt, als sie sich für Casril geöffnet hat. Vielleicht hat sie erkannt, dass ich eigentlich aus der Zeit stamme, in der sie in Gefahr gerät. Vielleicht sie mich geholt, dass ich sie retten kann.«
    »Vielleicht überschätzt du deine Bedeutung auch nur maßlos?«
    Zamorra zuckte mit den Schultern. »Mag sein. Doch nun müssen wir das Beste aus der Situation machen! Also, wie kann es sein, dass die geronnene Zeit aus der Quelle strömt? Irgendwohin muss sie doch abfließen.«
    »Das siehst du richtig.«
    Er verdrehte die Augen. Die Hüterin hatte ja wirklich die Ruhe weg. Oder hatte sie resigniert? »Und wohin? Hast du schon alles nach möglichen Lecks abgesucht?«
    Die Hüterin funkelte ihn an. »Was denkst du denn? Natürlich nicht!«
    Vor Fassungslosigkeit sank Zamorras Unterkiefer herab. »Nicht?«
    »Nein! Wie sollte ich? Ich bin an diesen Teich gebunden und kann mich nicht sehr weit von ihm entfernen.«
    »Wieso das denn?«
    »Altes überliefertes Gesetz!«
    Zamorra stöhnte auf. »Selbstverständlich. Warum habe ich überhaupt gefragt? Darauf hätte ich auch von selbst kommen können. Da ich diesem Gesetz nicht unterstehe, kann aber ich suchen! Also, wo soll ich anfangen?«
    »Es gibt nur einen Ort, durch den die Zeit abfließen kann. Das Tor in deine Welt.«
    »Und das sagst du mir erst jetzt?«
    »Ich wundere mich, dass ich es dir überhaupt sage. Schließlich bist du ein Außenstehender! Ich hätte gar nicht mit dir darüber reden dürfen. Aber vielleicht hast du recht, vielleicht hat die Quelle dich wirklich gerufen, weil du helfen kannst.«
    »Wie auch immer, ich gehe nachsehen.«
    Noch bevor die Hüterin darauf antworten konnte, drehte Zamorra sich um und ging den Weg zurück, den Casril ihn vorhin entlang getragen hatte.
    Glaubst du wirklich, dass das Tor das Leck sein kann? Dann hättest du das doch bereits bei deiner Ankunft hier merken müssen.
    Bei seiner Ankunft war er allerdings im Zeitablauf des Jahres 159 n. Chr. gewesen. Jetzt war er in dem des Jahres 2009. Oder hatte er das, was die Hüterin vorhin von sich gegeben hatte, etwa falsch verstanden?
    Nein. Er musste zugeben, dass er es nicht falsch, sondern gar nicht verstanden hatte. Aber das änderte nichts daran, dass er jede Chance nutzen musste, die Quelle zu retten.
    Nach wenigen Minuten führte der Weg um einen kleinen Hügel.
    Weg? Welcher Weg? Wo erkennst du hier mehr als verdorrtes Gras und steinigen Grund?
    In der Tat konnte Zamorra keinen Weg erkennen. Dennoch wusste er, wo er verlief. Eine merkwürdige Welt!
    Ab und zu klatschten schwarze Tränen in seiner Nähe zu Boden, es gelang ihm jedoch immer rechtzeitig auszuweichen. Und dann endlich, als er den Hügel umrundet hatte, sah er das Tor zu seiner Welt.
    Der Anblick, der sich ihm bot, war einer der skurrileren Art!
    ***
    Vor achtzehn Monaten
    Matlock McCain, der Druidenvampir, hatte den Kopf in den Nacken gelegt und brüllte seine Wut heraus. Die Vögel stiegen in Scharen aus den Bäumen auf und flatterten aufgeregt zwitschernd davon. Als sein Schrei verklang, lag Stille über dem Friedhof der Llewellyns.

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