0918 - Auf der Schwelle der Zeit
Quelle, gestand jedoch ein, dass bislang nie mehr als ein Auserwählter zur Quelle gekommen sei. Zumindest sei es nicht überliefert. Auf die Frage, warum es dann dennoch eine Regel für einen noch nie da gewesenen Fall gab, hatte er bislang keine Antwort gefunden. [4]
Inzwischen wusste Zamorra, dass es eine Hölle der Unsterblichen gab. Da das Gesetz der Quelle angeblich von einem Auserwählten verlangte, seinen Konkurrenten zu töten, lud er in diesem Augenblick Schuld auf sich, um die Unsterblichkeit zu erlangen. Sollte er dennoch durch Gewalteinwirkung eines Tages sterben, musste er als Buße für diese schwere Schuld bis ans Ende aller Zeiten in der Hölle der Unsterblichen schmoren. Zamorra hatte diesen fürchterlichen Ort bereits gesehen, hatte das Leid all der gefangenen Seelen miterleben müssen. Wenn er aber der Erste gewesen war, der mit einem Konkurrenten zur Quelle geführt worden war, wo kamen dann all die sündigen ehemaligen Unsterblichen her?
Bisher hatte Zamorra nicht allzu häufig Anlass gehabt darüber nachzudenken und war davon ausgegangen, dass die Hüterin der Quelle ihn damals angelogen hatte, aus welchem Grund auch immer. Langsam gewann er aber den Eindruck, dass sie selbst nicht wusste, was es mit der Quelle auf sich hatte und welchen Gesetzen sie unterlag. Sie tat einfach, was sie glaubte, tun zu müssen.
Allerdings war es wohl keine gute Strategie, ihr das auch so deutlich zu sagen. »Es tut mir leid, dass du dieses Bild von mir gewonnen hast. Aber ich kann keinen Menschen töten, nur weil es ein Gesetz von mir verlangt, von dessen Existenz ich nicht einmal überzeugt bin.«
»Ich spreche nicht alleine von deiner Weigerung, den unwürdigen Auserwählten zu beseitigen. Nein, du hast auch noch für deine Gefährtin Wasser von der Quelle entnommen, um ihr die Unsterblichkeit zu bringen.«
Zamorras Gesicht lief rot an. »Weil du es mir gestattet hast!«
»Weil du mich überredet hast! Du hattest mich verwirrt mit deiner Widerspenstigkeit. Warum glaubst du, durfte nicht auch Torre Gerret von der Quelle trinken? Es ist verboten, dass mehr als ein Mensch von der geronnenen Zeit kostet.«
»Ein weiteres Gesetz für einen Fall, der noch nie zuvor eingetreten war?«
»Versuche nicht schon wieder, mich zu verwirren! Es ist verboten. Das ist alles, was zählt. Alles, was ich weiß. Ich hätte es dir niemals erlauben dürfen. Ist es denn ein Wunder, dass ich versucht war, diesen Gesetzesbruch aus der Zeit zu tilgen?«
Der Professor runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was du damit meinst.«(Tatsachlich war sie nicht nur versucht, sondern hat es sogar getan. Asmodis konnte sie mittels einer Zeitreise jedoch nachträglich (oder muss man sagen: vorträglich?) davon abhalten, sodass dies alles nie geschehen ist. Nachzulesen sind diese Ereignisse in HC 1: »Zeit der Teufel« von W. K. Giesa)
Sie winkte ab. »Nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass du bereits damals versucht hast, die Quelle zu schwächen. Und mit deinem neuerlichen Besuch hast du es tatsächlich geschafft! Bist du nun zufrieden?«
»Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wovon du sprichst! Nichts läge mir ferner, als der Quelle schaden zu wollen.« Er sah sich nach allen Richtungen um. »Außerdem sehe ich keinen Unterschied zu meinem ersten Besuch. Von einer Schwächung kann ich nichts erkennen.«
»Weil du dich in einem Augenblick der Zeitlosigkeit befindest. In einer anderen Zeit, nämlich der, aus der du stammst, ist das anders. In ihr ist die Quelle dabei zu sterben! Durch die Gleichzeitigkeit aller Augenblicke, werden aber auch bald die von den Auswirkungen erfasst. Warum verstehst du das nicht endlich?«
»Weil du gesagt hast, dass ich es gar nicht erst versuchen soll. In meiner Zeit stirbt die Quelle? Das verstehe ich nicht. Zeig es mir!«
Die Hüterin schwieg für einige Sekunden, in denen sie Zamorra anstarrte. »Du hast wirklich nichts damit zu tun?«
»Wenn ich es dir doch sage!«
Sie stützte sich auf ihr Schwert und seufzte. »Nun gut, ich will dir glauben. Und jetzt sieh!«
Plötzlich hatte Zamorra das Gefühl, sein Magen sacke um einige Zentimeter nach unten. Für einen Wimpernschlag fühlte er sich wie im freien Fall. Er gab ein dumpfes Keuchen von sich.
Genauso schnell, wie es gekommen war, war das Gefühl auch wieder verschwunden. Zamorra sah die Hüterin an und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe immer noch nicht.«
»Willkommen in deinem Zeitablauf.« Mit der Schwertspitze zeigte sie zum
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