0918 - Auf der Schwelle der Zeit
hat.«
»Wenn du magst, könnte ich dich hypnotisieren und in diese Zeit zurückführen. Dann wüsstest du es ganz genau!«
»Hey, das klingt nach einer guten Idee!«
Der Junge kniete sich noch einmal neben Fooly nieder und legte seine fünf Finger auf die vier des Drachen. »Ich muss gehen, Kumpel. Aber ich werde alles daransetzen, dir zu helfen. Versprochen! Wir sind doch ein Team!«
Mit einem Ruck stand er auf und wandte sich Zamorra zu. »Lass uns gleich anfangen!«
***
Vor achtzehn Monaten
»Julian? Julian Peters? Bist du da?«
Anka Crentz atmete tief durch. Sollte sie nun erleichtert sein oder nicht? Wer auch immer da vor dem Tor stand, wollte zum Hausherrn, nicht zu ihr. Oder hatte er von außen gesehen, dass jemand im Schloss war, und den nicht völlig abwegigen, aber dennoch falschen Schluss gezogen, Julian Peters sei zu Hause?
Sie ging hinaus in den breiten Flur im ersten Stock von Llewellyn-Castle und zog leise die Tür hinter sich zu. Es war zwar nahezu ausgeschlossen, dass der Besucher vor dem Portal etwas hören könnte, selbst wenn sie sich nicht so geräuschlos bewegen würde, aber man konnte nicht vorsichtig genug sein.
Auf Zehenspitzen huschte sie zum gegenüberliegenden Schlafzimmer. Der dicke Läufer auf dem Gang schluckte dabei jeden ihrer Schritte.
Vor der Tür blieb sie noch einmal stehen und lauschte. Außer dem Ticken einer Standuhr in der Eingangshalle im Erdgeschoss war nichts zu hören. Hatte der Besucher schon aufgegeben?
Anka schlüpfte in das Schlafzimmer und warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf das ordentlich gemachte Bett. Während all der Zeit, die sie nun unbemerkt in diesem Schloss lebte, hatte sie es noch nie gewagt, in einem Bett zu schlafen. Denn wäre Julian Peters plötzlich wieder aufgetaucht, hätte sie niemals schnell genug die zerwühlten Laken richten, das Kopfkissen aufschütteln oder gar alles frisch beziehen können.
Nein, da hätte sie auch gleich ein Plakat am Tor anbringen können: »Hier wohnt widerrechtlich Anka Crentz. Vertreter, Hausierer und Hausherren unerwünscht!«
Mit der Hand strich sie über die Zudecke, als sie am Bett vorbei zum Fenster lief. Von hier aus hatte sie einen guten Blick auf den Hof vor dem Schloss.
Die Sonne war inzwischen schon seit einigen Minuten hinter dem Horizont verschwunden und die Dämmerung lieferte sich ihr allabendliches Rückzugsgefecht mit der Nacht.
Vor dem Schloss sah Anka einen jungen Mann, der trotz der Entfernung und der Fensterscheibe, die zwischen ihnen lag, einen smarten, quirligen Eindruck auf sie machte. Gerade war er auf dem Weg zu einem sündhaft teuer aussehenden schwarzen Auto. Anka kannte sich mit so etwas nicht allzu gut aus, doch sie glaubte, einen Mercedes zu erkennen.
Und wenn es ein Dreirad gewesen wäre! Hauptsache, der Typ haute endlich ab!
Aber den Gefallen tat er ihr nicht. Statt in den Wagen einzusteigen, öffnete er den Kofferraum und kramte darin herum.
Was sollte das denn jetzt? Was hatte er vor?
Anka trat einen Schritt vom Fenster zurück und lehnte sich gegen die Wand daneben. Sie schloss die Augen.
Verschwinde von hier! Verschwinde von hier! Bitte verschwinde von hier!
Sie öffnete die Augen, sah wieder aus dem Fenster und erstarrte.
Ihr Wunsch hatte sich nicht erfüllt. Ganz im Gegenteil! Es war nämlich plötzlich noch ein zweiter Mann aufgetaucht. Er hatte ein auffallend bleiches Gesicht und lange Haare. Wegen seiner schwarzen Kleidung hätte Anka ihn in der Dämmerung fast nicht gesehen. Er hingegen schien dafür umso besser sehen zu können, denn zielgerichtet griff er den immer noch über den Kofferraum gebeugten Typen an!
Ach, du Schande! Das hat mir gerade noch gefehlt, dass sich zwei Kerle vor meinem Versteck prügeln. Ist die Welt nicht groß genug? Muss es ausgerechnet hier sein?
Obwohl der Angegriffene einen durchtrainierten Eindruck machte, hatte er gegen den Bleichen keine Chance. Innerhalb weniger Augenblicke lag er auf dem Boden. Er zappelte und trat mit den Beinen. Vergebens. Der Kerl in Schwarz kauerte über ihm und erstickte jegliche Gegenwehr im Keim.
Ich muss ihm helfen!
Und dein Versteck aufgeben? Vergiss es! Außerdem weißt du gar nicht, worum es geht.
Na und? Da liegt einer auf dem Boden und kann sich nicht wehren! Früher habe ich in solchen Momenten immer geholfen.
Ja, früher. Das ist lange her! Außerdem findet der Kampf außerhalb des Schutzschirms statt. Willst du ihn wirklich verlassen? Willst du wirklich nach draußen gehen und die
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