0918 - Auf der Schwelle der Zeit
Sicherheit aufgeben?
Da war etwas dran! Der magische Schirm, der um das Schloss lag, war der eigentliche Grund, warum Anka in dessen Innerem ihr Lager aufgeschlagen hatte. War sie wirklich bereit, den Schutz dieses Zaubers zu verlassen und alles aufzugeben? Für einen Mann, den sie nicht einmal kannte?
Plötzlich beugte sich der Bleiche noch tiefer über sein Opfer - und biss ihm in den Hals!
Anka stockte der Atem!
Ein Vampir! Verflucht noch mal! Jetzt bleibt mir keine andere Wahl: Ich muss ihm helfen.
Sie atmete tief durch und straffte ihren Körper. Doch gerade als sie aufbrechen wollte, geschah etwas, das ihren eben erst gefassten Entschluss wieder ins Wanken brachte: Von irgendwoher rannte plötzlich ein Junge heran! Er war gerade mal dreizehn oder vierzehn Jahre alt, bewies aber eine große Zielstrebigkeit. Ohne erkennbar auf seine eigene Sicherheit zu achten, hastete er auf die beiden Kontrahenten zu.
Unvermittelt zuckten grelle Blitze auf und trafen den Vampir. Sie waren zu schwach, um ihn zu vernichten, aber er schrie auf und rollte sich von seinem Opfer.
»Das kann nicht sein!« Anka schlug die Hand vor den Mund.
Das da unten war der Erbfolger . Sie hatte diesen Jungen noch nie gesehen, aber sie erkannte ihn an seiner Magie, an seiner Ausstrahlung.
Der Erbfolger ! Der einzige Mensch auf Gottes weitem Erdball, den Anka auf keinen Fall treffen wollte. Und nun gesellte sich ausgerechnet er zu den Kontrahenten!
Natürlich, früher oder später hatte es einmal dazu kommen müssen. Schließlich versteckte sie sich im Schloss der Llewellyns! Aber nach ihren Informationen lebten die schon seit langen Jahren nicht mehr hier. Sie hatte gehofft, dass dieser Moment noch möglichst lange auf sich warten ließ. Dieser Moment, in dem sie wieder die Flucht ergreifen musste.
Es war ohnehin eine unglaubliche Ironie des Schicksals, dass den Schutz, den sie brauchte, ihr gerade das Schloss bieten konnte, das dem Menschen gehörte, von dem…
Durch das Fenster drang ein gedämpfter Schrei und riss Anka aus den Gedanken.
Draußen hatte der Erbfolger gerade versucht, das Vampiropfer in die Sicherheit des Schutzschirms zu zerren. Dieser ließ den Gebissenen aber nicht passieren, vermutlich weil der bereits den dämonischen Keim in sich trug.
Was mach ich denn jetzt? Eigentlich müsste ich helfen, aber ich kann nicht! Nicht, solange der Erbfolger da unten ist!
Sie öffnete das Fenster einen Spalt und die Stimme des Vampirs drang an ihr Ohr.
»… der Llewellyn ist noch ein Knabe!«
Der Bleiche kannte den Erbfolger also auch.
»Verschwinde!«, antwortete der Junge.
Du musst ihm helfen!
Ankas Hände verkrampften sich zu Fäusten, öffneten sich, schlossen sich wieder. Den Wortwechsel zwischen dem Vampir und dem Erbfolger nahm sie nur unterbewusst wahr.
Ich kann nicht! So lange bin ich dem Erbfolger aus dem Weg gegangen. So lange! Wer weiß, was geschieht, wenn ich ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber stehe!
Ihre Fingernägel gruben sich in die Handballen. Sie konnte sich zu keinem Entschluss durchringen! Sie konnte es einfach nicht!
Aber das musste sie auch gar nicht mehr, zumindest vorerst nicht. Denn unten überschlugen sich plötzlich die Ereignisse.
Der Vampir hatte sich nun ein anderes Opfer ausgesucht. Den Jungen! Völlig ungehindert schritt er durch den magischen Abwehrschirm! Ihm, dem Vampir, gelang das, was seinem Opfer verwehrt geblieben war.
Wie konnte es so etwas geben?
Während er langsam und mit einem bösen Grinsen in der bleichen Fratze auf den Erbfolger zuging, rappelte sich der Gebissene hinter dem Mercedes wieder auf.
Anka sah, dass er noch zu benommen war, um etwas gegen den Vampir zu unternehmen. Außerdem hätte er dazu ins Innere des Schutzschirms gemusst!
Der Erbfolger wich vor dem Unhold zurück…
Oh Gott, er will ins Schloss! Ich muss mich verstecken!
... doch da sprang der Vampir vor, packte den Jungen am Hemd und hob ihn so mühelos hoch, als stecke in dem Stoff nicht auch noch ein Mensch mit drin. Der Junge trat um sich, versuchte sich des Vampirs zu erwehren, doch es war vergeblich.
»Du bist Ghared, nicht wahr?«, hörte Anka den Blutsauger fauchen.
Auf die Antwort achtete sie nicht, denn sie sah, wie der Gebissene auf den Schutzschirm zutaumelte.
Obwohl er nicht durch kann, versucht er wenigstens, dem Jungen zu helfen! Und du stehst nur hier oben und gaffst!
Anka kaute so heftig auf der Unterlippe, dass sie Blut schmeckte.
Als der Gebissene gegen die magische
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