092 - Der Herr des Schreckens
mir und forderte mich auf…“
Er brach ab. Die beiden Polizisten wechselten einen Blick.
Nach einer Weile sagte der eine: „Sie sind überreizt, Professor, nehmen Sie ein Beruhigungsmittel und legen Sie sich hin. Das ist das beste.“
„Ja, das wird es wohl sein.“
Die beiden Polizisten kehrten ins Gästezimmer zu ihrem Schachspiel zurück. Professor Dulac nahm tatsächlich ein starkes Schlafmittel. Das Grübeln zermürbte ihn nur. Nach acht oder zehn Stunden tiefen, festen Schlafs würde alles anders aussehen.
Trotz des Schlafmittels dauerte es eine Weile, bis der Professor einschlafen konnte. Chandar-Chans Stimme hatte zu ihm gesprochen. Sein Kollege, der Parapsychologe, hatte den Namen Chandar-Chan erwähnt.
Chandar-Chan, Begründer des Ordens der Schwarzen Lamas, Herr des verfluchten Klosters.
Da Nicole Dulac für Horror schwärmte, hatte Robert Arvois sich zu allem Überfluß auch noch einen Dracula-Film ansehen müssen.
Arvois hatte reichlich gegähnt, denn auf derlei sprach sein nüchterner Intellekt nicht an.
Er fuhr Nicole mit seinem alten Auto nach Hause, doch zuvor hielt er beim Square J. Morin an, einem kleinen Park, der bei den Liebespaaren recht beliebt war. Es war eine warme Nacht. Robert Arvois und Nicole Dulac schlenderten eine Weile durch den nächtlichen Park und suchten sich dann eine freie Bank.
Der Autoverkehr war nur von fern zu hören. Die Sterne standen hell und klar am Himmel, und hinter den Blättern der Bäume und Büsche leuchteten die Lichter der Neonreklamen der Stadt.
Robert und Nicole küßten sich lange und tauschten die üblichen Zärtlichkeiten aus. Robert hätte das Mädchen gern in seine Wohnung mitgenommen, aber er hatte ihr erst vor einer knappen Woche seine Zuneigung gestanden. Nicole war vorher mit einem anderen Mann befreundet gewesen. Von der Leichtfertigkeit, die der Französin oft zu Unrecht nachgesagt wird, war Nicole weit entfernt, obwohl sie sehr aufreizend aussah.
Sie dachte nicht daran, mit Robert nach verhältnismäßig kurzer Bekanntschaft ins Bett zu gehen.
Robert biß wieder einmal auf Granit.
„Vielleicht am nächsten Wochenende“, meinte Nicole. „Du mußt mir etwas Zeit lassen, Cheri. Schließlich habe ich erst vor ein paar Tagen mit Didier Schluß gemacht.“
Robert wollte nicht durch übermäßiges Drängen alles zerstören. Als es von der nahen Kirche zwölf schlug, brachte er das Mädchen nach Hause. Vor dem Haus in der Rue de la Durance saßen die beiden noch ein paar Minuten im Wagen, denn so schnell konnten sie sich nicht voneinander trennen.
Robert spürte Nicoles Zunge in seinem Mund. Seine Hand tastete über ihre festen Brüste unter dem dünnen Kleid. Erregt zog Robert das Mädchen an sich.
„Cheri“, seufzte Nicole.
Da wurde die linke Seitentür des Autos aufgerissen. Robert Arvois ließ Nicole sofort los, um dem unverschämten Kerl eins auf die Nase zu geben. Er schrak zurück. Im Schein der Straßenbeleuchtung sah er halb verwestes, verquollenes Leichengesicht, in dem die Zähne bleckten und auf der linken Seite die Knochen frei lagen.
Büscheliges, strähniges Haar hing ins Gesicht des Unheimlichen. Er trug modernde Kleider, die einen durchdringenden Grab- und Verwesungsgeruch ausströmten.
Nicole stieß einen entsetzten Schrei aus und blieb wie angewurzelt sitzen. Robert rutschte über sie hinweg, stieg auf der anderen Seite aus dem Wagen und öffnete den Kofferraum. Er nahm den Wagenheber heraus, um sich gegen die Schreckensgestalt wehren zu können.
Robert ging um den Wagen herum, auf die furchtbare Erscheinung zu. Er sah sonst niemanden auf der Straße. Eine Welle von fauligem Gestank flutete ihm entgegen.
Der Schreckliche beugte sich in den Wagen und ließ etwas Helles auf den Fahrersitz flattern. Von Abscheu, Angst und Ekel erfüllt, hob Robert Arvois den Wagenheber und ließ ihn auf den Rücken des modernden Leichnams niedersausen. Knochen krachten, wieder schlug Arvois zu, und immer wieder.
Ein hohler, unheimlicher Schrei gellte. Der Schreckliche richtete sich auf. Nicole flüchtete auf der anderen Seite aus dem Wagen und beobachtete mit entsetzten Augen die Szene. Der Leichnam tappte auf Robert Arvois zu, die Hände mit dem fauligen Fleisch vorgestreckt.
Im Gesicht und an den Händen des Unheimlichen leuchteten grünliche, brandige Verwesungsflecke in der Dunkelheit. Arvois ließ den Wagenheber auf den Schädel des Toten nieder krachen und zerschmetterte ihn.
Trotzdem kam der Schreckliche
Weitere Kostenlose Bücher