0920 - Mandragoros Alptraum
machen!«
»Was denn?«
»Licht, ganz einfach. Ich mache Licht, und die Dinge regeln sich von allein.«
Pepe wußte, daß er den kürzeren zog. Gegen seine Frau kam er einfach nicht an. Sie hatte es sich in den Kopf gesetzt, und sie ließ sich nicht beirren.
Mit zügigen Schritten ging sie dorthin, wo sich auch der Lichtschalter befand. Sie wußte selbst, daß die Lampe nicht viel Leuchtkraft brachte, aber es würde ausreichen, um den Raum so zu erhellen, daß sie alles sehen konnte.
Zwei Augenpaare verfolgten ihren Weg. Vicenca schaute auch zu Boden, um erkennen zu können, was mit den Leichen passierte. Sie verhielt auf einmal ihre Schritte. Für Pepe und Ludmilla sah es aus, als wäre sie zusammengezuckt. Dann aber ging sie weiter, stieg über ein Hindernis hinweg und erreichte den Schalter.
Sie drehte ihn herum.
An der Decke wurde es hell, und diese Helligkeit machte deutlich, was die Pflanzen hinterlassen hatten, aber das alles war für die drei Menschen zweitrangig geworden.
Sie schauten nur auf die beiden Toten.
Was sie da sahen, entsetzte sie zutiefst…
***
»Willkommen in Mandragoros Alptraum!«
Es war keine Täuschung gewesen. Bill und ich hatten die Worte deutlich gehört, denn sie waren wie ein Grollen durch die schlichte Kirche gerollt.
Mandragoro also, der Umwelt-Dämon. Er hatte hier seine Prioritäten gesetzt und die Grenzen aufgezeigt. Er war es, der im Hintergrund die Fäden zog.
Aber er war nicht dieses Wesen auf dem Altar, das auf uns den Eindruck einer rötlichen Gummimasse machte, in die jemand ein Gesicht hineingezeichnet hatte.
Eben das Gesicht des Pfarrers!
Oliveiro war die eine Größe, und die andere Größe war eben der Umwelt-Dämon Mandragoro. Wie beides zusammenpaßte, wußte ich nicht, aber ich ging davon aus, daß der Geistliche und der Umwelt-Dämon ein Bündnis geschlossen hatten.
Auf diese seltsame Begrüßung hin hatten wir noch keinen Kommentar abgegeben. Ich bewegte auch nicht meine Lippen, sondern nur die Lampe, und der Strahl wanderte vor dem ehemaligen Altar hin und her, weil ich dort mehr erkennen wollte.
Dort breitete sich der Körper aus. Er war dort in die Breite gelaufen wie ein Teppich, und er klebte am Untergrund fest. Es gab auch eine Verbindung zum Kopf hin, der ja das eigentliche Zentrum war und den Altar bedeckte.
Ein Kopf, ein Gesicht, ein Mensch oder ein Wesen, das eins mit der Umwelt geworden war. Es konnte alles mögliche sein, denn ein Dämon wie Mandragoro kannte viele Wege, die zum Ziel führten. Wer ihn beschreiben wollte, obwohl er ihn kannte, der bekam schon seine große Mühe, denn Mandragoro war einfach nicht mit normalen Worten zu erfassen. Er war überhaupt nicht in den Griff zu kriegen, zumindest nicht für normale Menschen, denn er war ein Stück magische Natur. So bekam man ihn am besten in den Griff, und man mußte ferner bereit sein, ihn zu akzeptieren.
Mandragoro war ein Etwas. Ein Mensch und auch ein Dämon, und er hatte sich seinem Reich angepaßt. Er hatte keine Gestalt, die immer da war. Durch sein Geschick konnte er sich in verschiedenen Größen und Breiten zeigen. Er schaffte es, in die für uns tote Natur hineinzugleiten und ihr seinen Stempel aufzudrücken. Mandragoro war ein Phänomen. Er konnte in einem Baum stecken, aber auch in einer gewaltigen Blume oder sich im Unterholz abzeichnen. Das war bei ihm einfach alles möglich. Wir hatten gelernt, es zu akzeptieren, und ich hatte auch einen gewissen Burgfrieden mit ihm geschlossen, weil ich großes Verständnis für seine Ziele aufbrachte, auch hier, wo die Umwelt radikal zerstört worden war, ohne Rücksicht auf Verluste.
Mandragoro und Oliveiro!
Welch eine Allianz, bei der es fraglich war, ob es überhaupt einen Sieger gegeben hatte.
Ich zumindest konnte es mir nicht vorstellen, aber Oliveiro hatte bestimmt nicht gelogen. Ihm mußte es gelungen sein, eine Verbindung zu dem Umwelt-Dämon herzustellen.
Wir hatten nach dieser überraschenden Eröffnung geschwiegen.
Ich leuchtete wieder in das Gesicht, traf dabei auch die Augen und strahlte in die Pupille hinein, die für mich aussah wie ein kleines Feuchtbiotop, denn die Pupillen schwammen in einer öligen, leicht bräunlichen Flüssigkeit, die zudem den gesamten Augenbereich bedeckt hielt. Die Nase des Pfarrers war gewachsen und zeichnete sich deutlich ab. Hinzu kam der Mund. Alle Gesichtsmerkmale schwammen in einer zuckenden Masse.
»Sag was!« murmelte Bill. »Du kennst doch Mandragoro besser als
Weitere Kostenlose Bücher