0921 - Die Trennung
Lendengegend.
Plötzlich ertönte ein Horn. Die Musik ging aus. Durch eine Tür traten zwei Männer, beide in tief schwarzen Roben mit aufgestickten goldenen Tierkreiszeichen und Masken, die geile Ziegengesichter zeigten. Einer der Männer war schon älter. Zamorra hatte keinerlei Mühe, ihn als Professor Charles Darien zu identifizieren. Der zweite, größere, der nun das Wort ergriff, war zweifellos Lorik Cana. Er lud die Anwesenden mit getragenen, schwülstigen Worten dazu ein, zusammen mit ihnen den Hexensabbat zu feiern, den »Karneval der Wollust«. Und er behauptete, echte Hexen hier zu haben, die den Anwesenden nie gekannte Wonnen bereiten würden.
Eine der Frauen trat vor Cana hin. Sie warf ihren gelben Kimono ab. Ein atemberaubender, perfekt gestalteter Körper kam zum Vorschein und löste ein wohliges Stöhnen nicht nur unter den Männern aus. Die Frau mit der Katzenmaske streckte die Arme aus, drehte sich im Kreis und nahm dann obszöne Handlungen an Professor Darien vor.
Das war der Startschuss. Auch die anderen Anwesenden fielen nun übereinander her. Laurent schnappte sich eine kleine, stämmige Frau mit Sonnenmaske und zog sie in einen Nebenraum.
Teils schockiert, teils animiert betrachtete Zamorra die wüste Szenerie, sog das Grunzen und Gekreische in sich auf. Es steigerte die Spannung in seinen Lenden fast ins Unerträgliche. So ließ er sich willig von zwei Frauen, eine davon kaffeebraun, in ein Badezimmer im zweiten Stock ziehen, obwohl ihm ihr Körpergeruch eigentlich unangenehm war.
Zamorra verlor nun endgültig alle Hemmungen. Scheiß auf Nathalie. Danke, Laurent…
Die Tür ging auf. Eine weitere Frau, die schönste von allen, gesellte sich zu ihnen. Sie trug die Maske eines Engels. Herrisch schritt sie näher. Die anderen rückten automatisch zur Seite, als sie sich auf Zamorra warf und ihn mit ihrem Körper auf die flauschige Matte drückte. Jetzt griffen auch die beiden anderen wieder an.
Zamorra schrie laut, als sie ihn zu einem bisher nicht gekannten Höhepunkt brachten.
***
Paris, Gegenwart
Michel Tournier war an diesem Tag nur körperlich bei der Arbeit.
Die Gedanken an den Schatz in seinem Keller ließen ihn nicht los.
Zumal der Schätzer die ihm vorgelegten Gegenstände Pi mal Daumen auf 50 000 Euro taxiert hatte, vorbehaltlich der genauen Untersuchung der verwendeten Materialien, die bis in drei Tagen abgeschlossen sein würde. Es war so… absurd. Bizarr. Unglaublich. Eine Situation, die ihn vollkommen überforderte. Natürlich war da der süße Gedanke in seinem Kopf, den Schatz einfach zu behalten, ihn stückweise und unauffällig zu verkaufen, den Erlös gewinnbringend anzulegen und fortan in Saus und Braus zu leben. Andererseits sagte ihm eine immer lauter werdende Stimme im Hinterkopf, dass es besser wäre, den Schatz so schnell wie möglich zu melden und los zu werden, weil er den Tourniers keinen Reichtum, sondern nichts als gewaltigen Ärger einbringen würde.
Dank der Aufmerksamkeit seines Teilhabers konnte er zwei schwere Fehler korrigieren, die seine Kunden Zehntausende von Euro gekostet hätten. »Du bist heute ja gar nicht bei der Sache«, rügte er Tournier. »Hast du Ärger mit Maggie? Ach lass, ich will’s gar nicht wissen. Mach einfach Schluss für heute und schau, dass du den Kopf wieder frei bekommst, bevor du den ganzen Laden hier ins Unglück stürzt.«
Michel Tournier sah ein, dass das tatsächlich besser war. Doch er fuhr nicht gleich nach Hause, sondern wanderte ziellos in der Stadt umher, ohne tatsächlich zu einer Lösung zu kommen. Gegen Abend fuhr er dann zurück nach Passy.
Je näher er seinem Haus kam, desto unruhiger wurde Tournier.
Ein undefinierbares Gefühl nagte in ihm. Ein Gefühl drohender Gefahr? Fast baute er einen Unfall, weil er auf die Gegenfahrbahn kam.
Im letzten Moment riss er das Steuer herum. Haarscharf, mit aggressiver Dauerhupe, rauschte der große Jeep an ihm vorbei.
»Puh.« Der Anlageberater wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Er zitterte, sein ganzer Körper fühlte sich plötzlich eiskalt an. Als er sein Auto in die Garage stellte, hatte er sich wieder etwas beruhigt.
Alles schien so zu sein wie immer. Wahrscheinlich drehe ich schon langsam aber sicher durch , dachte er, als er mit der Aktentasche in der Hand auf die offen stehende Haustür zuging. Wird Zeit, dass ich das nochmals in Ruhe mit Maggie bespreche. Danach geht’s mir sicher besser.
Tournier eilte ins Haus. Den stechenden Geruch, der
Weitere Kostenlose Bücher