0921 - Die Trennung
Triumphierend stellte sie ihn auf den kleinen Küchentisch und klappte ihn auf. »Damit ist das überhaupt kein Problem, mein Lieber. Alle Endgeräte sind mit der zentralen Computeranlage über Transfunk verbunden, weißt du. Olaf Hawk hat seinerzeit die Vernetzung eingerichtet. Zu den zugriffsberechtigten Endgeräten gehört auch mein Laptop. Und die Passworte habe ich so fest im Kopf wie… wie …«
»Zamorra?«, half Pierre Robin der nach einem passenden Vergleich suchenden Nicole aus.
Ihr Gesicht wurde sofort düster.
»Verzeihung«, murmelte er. »War wohl gerade nicht so der Hit.«
»Ganz sicher nicht. Wenn du willst, dass ich dir helfe, halte dich bitte künftig in dieser Beziehung zurück.« Nicole regte sich schnell wieder ab. »Also, dann wollen wir uns mal einloggen. Das wird einen Moment dauern, trotz des überlichtschnellen Transfunks.« Sie hackte auf der Tastatur herum. »Und was ist mit dem Zombie und Les Halles? Habt ihr da bereits Anhaltspunkte?«
»Wie man’s nimmt. Les Halles steht auf dem Gelände des größten innerstädtischen mittelalterlichen Friedhofs. Der Friedhof der Unschuldigen war zum Zeitpunkt seiner Schließung so um 1780 herum total überfüllt. Das Niveau des Friedhofsbodens lag damals zweieinhalb Meter über dem der umliegenden Straßen, das muss man sich mal vorstellen.«
Robin grinste. »Danach hat man die Gebeine in die Katakomben gebracht und dort eingelagert. Ich bin mir aber todsicher, dass sie beim Ausbuddeln garantiert nicht alle erwischt haben. Dummerweise scheinen sie auch den Zombie übersehen zu haben. Ausgerechnet.«
Nun grinste auch Nicole. »Möglicherweise wäre er auch aus den Katakomben wieder zurückgekommen.«
»Möglicherweise. Möglicherweise wäre dann aber Domenech noch am Leben.«
»Möglicherweise hätte es dann aber jemand anderen erwischt.«
Nicole seufzte. »Möglicherweise sollten wir diese fruchtlose Diskussion einfach lassen und Nägel mit Köpfen machen. Also, schauen wir mal, ob unsere Superbibliothek was über eine Schattenhand hergibt. Na ja, allzu optimistisch bin ich nicht.«
»Du bist drin?« Robin trat näher und schaute ihr über die Schulter.
»Ist ja hoch interessant gestaltet, eure Online-Bibliothek, alles was recht ist.«
Tatsächlich zeigte die Oberfläche den dunkelbraunen, rindsledern wirkenden Deckel eines uralten Folianten. In blutroter Schrift, die zudem in ein paar abtropfenden Blutstropfen auslief, stand Bibliotheca Zamorra darauf. Rechts waren gut ein Dutzend Links untereinander aufgelistet.
Nicole setzte den Cursor auf das Suchfeld und gab die Begriffe Schattenhand und Paris ein. »Fehlanzeige«, murmelte sie. »Ich hab’s befürchtet. Aber bei Duvals wird so schnell nicht aufgegeben. Probieren wir’s mal mit schwarzer Hand.«
Auch hier war der Erfolg im Zusammenhang mit Paris recht bescheiden.
»Hm. Was gibt’s da denn noch für Synonyme? Probier’s doch mal mit dunkler Hand«, schlug Robin vor.
Tatsächlich zeigte die Suchmaschine einen Treffer an. »Bei Merlins nun nicht mehr schmerzendem hohlen Backenzahn«, sagte Nicole verblüfft, »du stellst glatt und sauber jedes Trüffelschwein in den Schatten, mein lieber Pierre. Na ja, ich hätte wissen müssen, dass deine Spürnase legendär ist.«
»Grunz, grunz«, erwiderte der Chefinspektor. »Wie heißt das? ›Streng wissenschaftliche Untersuchung der dunklen Hand von Passy, welche sich auf an Zauberey grenzende Weise nicht mehr von der Wand entfernen lasset‹, von Doktor Sylvester Testud. Hm. Mit diesem sperrigen Titel hätte ich das Ding nicht mal aufgeschlagen, und wenn noch so interessante Sachen drinstehen.«
»Egal. Passy ist auf jeden Fall schon mal Paris, oder?«
»Ich denke schon, dass das 16. Pariser Arrondissement gemeint ist«, sinnierte Robin. »Die ehemals selbstständige Gemeinde müsste so um, na, lass mich lügen, so um 1860 herum Paris angegliedert worden sein. Sonst kenne ich eigentlich kein weiteres Passy. Du vielleicht?«
Nicole schüttelte den Kopf.
Im Begleittext lasen sie, dass es sich um ein seinerzeit überaus populäres Werk handelte, das 1872 von dem Chemiker und Alchimisten Testud verfasst worden war und das Zamorra bereits in den Beständen von Château Montagne vorgefunden hatte. William hatte das Buch vor drei Jahren digitalisiert, auch das ging aus den ergänzenden Bemerkungen hervor.
»Also, was sagt nun das Stichwortverzeichnis zum Text?«, murmelte Nicole vor sich hin. »Ah, da haben wir’s ja schon. Also:
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