0921 - Die Trennung
»Sie glauben mir nicht, Père, was? Ich versteh’s ja, ich kann’s ja selbst nicht glauben. Aber ich versichere Ihnen, es ist absolute, grausame Wirklichkeit.«
»So wie Sie aussehen, Monsieur Tournier, bin ich fast geneigt, Ihnen zu glauben.«
Immer schön vorsichtig sein, den Gegenüber nicht reizen…
»Ich würde Sie gerne um Hilfe bitten, Père. Dass Sie mit mir zu meinem Haus gehen und diesen Carax dorthin zurück schicken, wo er hergekommen ist. In die Hölle. Aber…«
»Aber?«
»Ich befürchte, dass Sie nicht an Carax heran kämen. Vorher würde er Maggie umbringen. Deswegen muss ich es selbst tun.« Er zeigte dem Pfarrer das silberne Kreuz. »Bitte weihen Sie es, Père. Und geben Sie mir einen Liter Weihwasser mit. Dagegen kann Carax sicher nichts machen.«
»Ich…«
»Bitte.« Michel Tournier fuhr hoch. Seine leicht nach vorne gebeugte, angespannte Gestalt war in diesem Moment eine einzige Drohung.
»Also gut, Monsieur, wie Sie wünschen.« Père Auguste nickte.
Auch seine Hände zitterten nun leicht, als er das silberne Kreuz segnete. »Kommen Sie, Monsieur Tournier, wir gehen in die Kirche rü- ber. Dort bekommen Sie das Weihwasser«, flüsterte er. In dem angenehm kühlen, dämmrigen Kirchenschiff füllte Père Auguste das Weihwasser in eine leere Weinflasche, die von der letzten Messe übrig geblieben war. »Gut?«
Michel Tournier atmete fast erleichtert auf. Er presste die Flasche für einen Moment so fest an seine Brust, dass der Pfarrer befürchtete, sie würde zerspringen. »Gut. Ich danke Ihnen vielmals, Père Auguste. Wünschen Sie mir Glück. Und sagen Sie bitte zu niemandem ein Wort, bis ich erfolgreich war. Sonst haben Sie Maggie auf dem Gewissen.« Er stockte. »Ihr Leben… und ihre reine Seele. Das können Sie unmöglich wollen, Père.«
»Ich…«
Michel Tournier funkelte ihn an. »Schwören Sie es mir bei dem gemeinsamen Gott, an den wir beide glauben.«
»Also gut, ich schwöre es«, erwiderte der Pfarrer gepresst. Er hatte Angst, dass Tournier ihm sonst an die Gurgel gehen könnte. Irren muss man ihren Willen lassen…
»Danke.« Der Anlageberater verschwand aus der Kirche.
Père Auguste wankte zu seinem Haus hinüber. Der kalte Schweiß auf seiner Haut fühlte sich unangenehm an, er verspürte Herzschmerzen. Das Engegefühl in seiner Brust wurde immer schlimmer. Er schaffte es gerade noch ins Bett, wo er eine Herztablette aus der Großpackung nestelte und sie schluckte. Dann raste von irgendwo die Schwärze heran. Im nächsten Moment sah und fühlte Père Auguste nichts mehr.
***
Haus der Tourniers
Michel Tournier hielt es den Tag über kaum aus. Sinnlos fuhr er in der Gegend herum, klopfte mit den Fingern nervös aufs Steuer und versuchte, den Klumpen in seinem Magen mit Kaffee und Wasser in kleinen Restaurants zu bekämpfen. Einige Male wurde ihm so schlecht dabei, dass er sich auf der Toilette übergeben musste.
Kurz nach sechs Uhr war es endlich so weit. Er fuhr nach Hause zurück und war bereits voller Adrenalin, als er den Wagen in der Garage parkte. Mit zitternden Fingern nahm er die Aktentasche vom Beifahrersitz, lockerte den Krawattenknoten, der ihn im Moment zu erwürgen drohte und ging mit schleppenden Schritten zum Haus.
Kalte Schauer überliefen ihn im Sekundentakt. Dann betrat er sein Haus, die rechte Hand fest um das geweihte Kreuz in seiner Tasche gekrampft.
Maggie stand in der Küche und machte Abendessen.
Sie sah nicht weniger bleich und mitgenommen aus als er. Panik stieg in ihm hoch, als er seinen Sohn nicht umgehend ausmachen konnte.
Er schaute sich um und nahm seine Frau dann kurz in die Arme.
»Wo ist Marc?«, flüsterte er.
Bevor Maggie antworten konnte, ertönte ein Geräusch in seinem Rücken. Er fuhr herum. Carax betrat soeben die Küche.
»Marc ist in seinem Zimmer«, sagte Maggie schnell. »Es geht ihm gut. Monsieur Carax hat ihm nichts getan.«
»Ich werde ihn in Ruhe lassen, so lange ihr gewillt seid, mit mir zusammenzuarbeiten«, sagte der Zombie. »Erklär mir diese Technik-Magie da, Frau. Warum steckst du das Essen hinein?«
Maggie Tournier schluckte. »Man nennt diese Technik-Magie Mikrowelle und man kann darin in kürzester Zeit jedes Essen heiß machen.«
»Ach so. Und mit welcher Beschwörung erweckt man diese Technik-Magie zum Leben?«
Maggie war wohl schon an diese Art Fragen gewöhnt, denn sie deutete auf den Schalter zum Temperatureinstellen. »Mit dieser Beschwörung.«
Carax fingerte an dem Knopf herum.
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