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0921 - Die Trennung

0921 - Die Trennung

Titel: 0921 - Die Trennung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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nachzufragen. Einen Moment spielte er mit dem Gedanken, ihnen zu sagen, wen sie da im Haus beherbergten. Aber dann ließ er es.
    Bestenfalls hätten sie ihn sofort in die Psychiatrie mitgenommen.
    Gut, er hätte von einem ganz normalen Geiselnehmer reden können, aber dann hätte er den Flics niemals begreiflich machen können, dass man zur Bekämpfung dieses Wesens ganz spezielle Waffen brauchte. Und die Gefahr, dass die Flics etwas falsch machten und seine Familie dafür zu büßen hatte, war groß. Nein, selbst war der Mann.
    Tournier blieb im 16. Arrondissement. Er hatte in seinem Leben genug Horrorfilme gesehen, um zu wissen, wie man einen Zombie bekämpfen musste. Auch wenn ihm die Situation nach wie vor völlig irreal erschien, war er doch wild entschlossen, seine Familie und sich nicht dem Wohlwollen dieser furchtbaren Kreatur auszuliefern.
    Dazu hatte er sich gerade vorhin unter der Dusche durchgerungen.
    Bei »Sarragas«, einem exklusiven Schmuckgeschäft, kaufte er sich ein etwa handtellergroßes Kreuz aus purem Silber. Dann rief er im Büro bei seiner Sekretärin an. »Habe jede Menge Außentermine«, sagte er. »Heute seht ihr mich den ganzen Tag nicht. Mein Handy bleibt ebenfalls abgeschaltet.« Danach fuhr Tournier zur Eglise Ste.
    Thérèse, einer kleinen Kirche in der Rue Ribera, die er mit seiner Frau regelmäßig besuchte. Père Auguste Tarascon war ein Mann, dem er vertraute. Mit dem Priester hatte er während der Zusammenkünfte der Gemeindemitglieder nach dem Gottesdienst bei Tee, Kuchen und Croissants bereits zahlreiche gute Gespräche über den Glauben geführt. Tournier sah das katholische Christentum durchaus kritisch und freute sich, dass dies, zumindest in Ansätzen, auch Père Auguste tat.
    Die Kirche war verschlossen. Tournier traf den Pfarrer in seinem Haus gleich um die Ecke an.
    Père Auguste, ein beleibter, gemütlicher Mann im schwarzen Priesterrock um die fünfzig, bekam große Augen. »Monsieur Tournier«, sagte er erschrocken. »Sind Sie krank, kann ich Ihnen helfen? Sie schwitzen und zittern ja am ganzen Körper.«
    »Ja, Sie können mir tatsächlich helfen, Père«, flüsterte der Anlageberater. »Aber nicht unter der Tür. Ich… ich …«
    Der Pfarrer gab den Weg frei. »Natürlich. Treten Sie ein, Monsieur.«
    Sie gingen ins Arbeitszimmer des Geistlichen. Père Auguste bot seinem Besucher Tee an und Tournier lehnte nicht ab. Doch als er die Tasse zum Mund führte, verschüttete er die Hälfte.
    Der Geistliche gab sich einen Ruck. »So habe ich Sie noch niemals erlebt, Monsieur Tournier. Bitte erzählen Sie, was geschehen ist. Ihrer Frau und Ihrem Sohn geht es doch gut?«
    »Ja… nein … ich, doch, ja.« Er starrte den Priester aus Fieber glänzenden Augen an. »Glauben Sie an den Teufel, Père?«
    »Wie?« Die Hand des Priesters suchte unwillkürlich das einfache hölzerne Kreuz, das er vor der Brust hängen hatte. Die unverhoffte Frage schien ihn ein wenig zu verwirren. »Ja, natürlich, Monsieur«, antwortete er zögernd. »Wer an das Gute glaubt, muss zwingend an das Böse glauben, denn das eine kann ohne das andere nicht existieren.«
    »Ja, ja. Ich meine, ob Sie daran glauben, dass der Satan als Person existiert. Und auch seine höllischen Kreaturen.«
    »Hm, Sie meinen Dämonen, Vampire, Untote und das alles?«
    Schon jetzt fühlte sich Père Auguste bei diesem Gespräch äußerst unwohl.
    »Ja, genau. Vor allem Untote.«
    »Natürlich nicht.« Nun begannen die Schweinsäuglein des Priesters in seinem feisten Gesicht zu funkeln. »Unser Glaube besagt, dass die Toten tot sind und erst am jüngsten Tag wiederauferstehen. Davon bin ich fest überzeugt. Dazwischen gibt es nichts. Kein Zwischenstadium.«
    »Ach ja?«, höhnte Tournier. »Und wenn ich Ihnen versichere, dass Sie sich irren?« Gänsehaut bildete sich auf seinem gesamten Körper.
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Dass ich durchaus ein guter Katholik bin und das ebenfalls geglaubt habe, Père. Bis gestern. Seit da bedroht ein dem Grab entstiegener Zombie meine Familie und mich. Er… er sieht furchtbar aus, so wie in den Filmen eben, eigentlich noch grausamer. Ich bin völlig fertig.«
    Der Pfarrer beugte sich nach vorne. »Das gibt’s doch nicht, ich meine… was will denn diese … diese Kreatur von Ihnen, Monsieur?«
    »Er sagt, dass er Jaques Carax heißt und irgendwann mal in unserem Haus gewohnt hat. Das will er wiederhaben. Ich muss dieses Wesen töten, bevor es uns alle umbringt.« Tournier stutzte.

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