0922 - Kampf um den Machtkristall
Zant stand am Herd und durchwühlte die unteren Schränke. Eine Pfanne lag neben ihm auf dem Boden, die wohl bei dieser Aktion ihrer angestammten Position gerutscht war. Artimus ignorierte das geflissentlich. Seine Lederjacke hatte er ausgezogen und achtlos über einen Stuhl geworfen, die Ärmel seines Hemdes waren bis weit nach oben aufgekrempelt.
Van Zant war offenbar schwer beschäftigt und bemerkte zunächst nicht einmal, dass Zamorra eingetreten war.
»Kann ich dir irgendwie behilflich sein?«
Van Zants Kopf ruckte herum. Ein misslungenes Grinsen lag auf seinen Lippen. »Mir nicht, aber wir sollten uns beeilen, Laertes zu helfen. Vielleicht habe ich ja Glück mit der Idee, die mir vorhin gekommen ist.«
Zamorra beobachtete interessiert, was der Physiker da eigentlich anstellte. Auf dem Herd stand ein Topf – mittlere Größe – gefüllt mit Wasser, das nun langsam begann, sich zu erhitzen. Auf der Arbeitsplatte neben dem Kochfeld standen mehrere Gläser. Zamorra begriff immer weniger.
»Sag einmal, was wird das hier? Vielleicht bin ich etwas begriffsstutzig, aber es wäre nett, wenn du mich da aufklären könntest. Machst du hier in aller Ruhe dein zweites Frühstück? Für so etwas haben wir doch nun wirklich keine Zeit«
Van Zant grinste nun breit. »Begriffsstutzig – ja, das trifft es dann wohl. Aber das kenne ich ja von dir.« Schlagartig wurde der Physiker ernst. Er wies auf die Gläser.
»Ich erzähle dir einmal eine Geschichte, die sich vor einigen Wochen bei no tears zugetragen hat.« no tears – das war der Name der Stiftung, der Artimus vorstand. Sie hatte nur den einen Zweck, Kindern zu helfen, sie aufzunehmen und zu beschützen, wenn sie traumatisiert durch welche Ereignisse auch immer dort ankamen. Kinder, die sonst keine Chance mehr im Leben bekommen hätten – Opfer von Gewalt, von Armut… und nicht zuletzt vom Krieg. Artimus fuhr fort.
»Ein vierjähriges Mädchen wurde zu uns gebracht, das sich in einem unglaublich schlechten körperlichen Zustand befand. Sie war sosehr abgemagert, dass wir um ihr Leben fürchteten. Sie sprach kein Wort – die Beamten, die sie zu uns brachten, konnten nicht sehr viel sagen. Nur, dass dieses Kind in einer Höhle irgendwo im Norden Kanadas aufgegriffen worden war. Sie war allein, als man sie fand – keine Eltern, keine Geschwister, einfach niemand. Die Beamten kannten nicht einmal ihren Namen, denn selbst der war mit gutem Zureden nicht aus ihr herauszubekommen. Wir haben sie dann einfach Maria getauft.« Van Zant warf einen Blick in den Topf, doch er war mit der Temperatur des Wassers wohl noch nicht zufrieden.
»Vorsichtig haben wir dann versucht, der Kleinen leichte Nahrung zu geben, aber sie verweigerte jedes Essen. Nach zwei Tagen waren wir so verzweifelt, dass wir sie schon in eine Klinik bringen wollten, denn sonst wäre sie uns unter den Händen weggestorben. Maria war wie ein kleiner Vogel, der aus dem Nest gefallen schien und ganz einfach keinen Weg mehr aus der Isolation finden konnte. Vier Jahre war sie schon alt – jedenfalls nehmen die Ärzte das an, doch sie war vollkommen unfähig, Nahrung aufzunehmen. Kein Obst, kein Gemüse – Fleisch, Nudeln oder Kartoffeln schien sie nicht einmal zu kennen. Dann hatte Millisan Tull, unsere pädagogische Leiterin, plötzlich eine Idee.« Artimus schnappte sich eines der Gläser und warf es Zamorra zu, der es spielerisch auffing.
Auf dem knallig bunten Etikett sprang dem Parapsychologen der Firmenname geradezu an: »Hopp – für unsere Kleinen«
Zamorra blickte van Zant ungläubig an. »Babynahrung?«
Der Südstaatler lächelte. »Dafür stehe ich mit meinem Namen. Aber ernsthaft – wir gaben Maria diesen Babybrei. Zunächst hat sie ihn uns netterweise ins Gesicht gespuckt, doch dann nahm sie ihn an. Von dem Tag an päppelten wir sie nach und nach hoch. Nicht lange, dann begannen unsere Fachkräfte damit, ihr auch das Essen von fester Nahrung beizubringen.«
»Aber Laertes ist doch kein Kleinkind…« Zamorra wollte nicht an einen Erfolg glauben, doch van Zant war überzeugt davon.
»Verstehst du nicht, Zamorra? Maria hatte es nie gelernt, etwas anderes als breiige Nahrung zu sich zu nehmen. Das kommt nicht von allein – das ist ein Lernprozess, auch für den Magen. Wahrscheinlich haben ihre Eltern es sich leicht gemacht, waren mit anderen Dingen beschäftigt, nur nicht mit der Entwicklung ihrer kleinen Tochter. Vielleicht waren sie Drogenabhängige, die sich schließlich dort in den
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