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0923 - Ice Road Shockers

0923 - Ice Road Shockers

Titel: 0923 - Ice Road Shockers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Zeit ließ. Allein die Panik der Kreaturen gab ihm so viel - da konnte er es sich mühelos leisten, ihre Hinrichtungen ein Weilchen hinauszuzögern. Und überhaupt: Je näher sie ihm kamen, desto mehr von ihrer Angst konnte er empfangen. Es wäre Verschwendung, nun schon zur Ernte zu schreiten. Kraft war kostbar.
    Also ließ er sie entkommen, fürs Erste. Mit mentalen Augen beobachtete er, wie sie sich nach den Explosionen und dem Angriff seiner kleinen Armee aus Eingeborenen wieder zusammenfanden - panisch, entsetzt. Zwei von ihnen waren nicht mehr. Er hatte sie sich gegönnt, als Vorgeschmack auf das, was ihm - und ihnen - noch bevorstand. Und den Rest hatte er ziehen lassen.
    Sie waren ratlose Schafe. Sie verstanden nicht, was ihnen gerade widerfahren war. Naiv, wie ihre Spezies nun einmal war, flohen sie und glaubten, durch eine räumliche Abkehr vom Ort des Geschehens auch das Geschehen selbst hinter sich lassen zu können. Und sie hatten Angst.
    Oh, sie würden es noch begreifen.
    Früher oder später begriffen sie es alle.
    In der Einsamkeit und der Kälte begann er, laut und schallend zu lachen…
    ***
    Irgendwo auf der Ice Road
    Jenny Moffats Atem ging stoßweise, und so sehr sie sich auch anstrengte, bekam sie ihre zitternden Hände doch nicht unter Kontrolle. Es war fast, als gehorchten sie ihr nicht mehr. Nur mit äußerster Mühe gelang es ihr, die Aufnahmetaste der Kamera zu betätigen, vor der sie saß. Das Rotlicht ging an.
    »Regis, ich befinde mich hier im Fond unseres Wohn- und Aufnahmewagens, der mit weit über hundert Meilen pro Stunde über die Ice Road brettert.« Scheiße, war das wirklich ihre Stimme? Dieses bebende, weinerliche Klängchen da? Wenn sie nur halb so mies aussah, wie sie sich anhörte, würde sie die Aufnahme vernichten müssen, bevor sie ihrer Karriere schadete. Falls sie diesen gottverdammten Job überhaupt überlebte, hieß das… Fahrig fuhr sie sich durch die Haare, zog die Nase hoch.
    Schweiß glitzerte auf ihren Wangen. »Wenn Sie sich wundern, warum der Kamerawinkel so statisch bleibt: Mein Kollege Frank Manusco ist nicht bei mir, sondern steuert das Fahrzeug. Er ist es, der uns gerade vom Schauplatz eines der grausamsten Ereignisse in unser aller Leben fortbringt.«
    Mit knappen und bewusst emotionslosen Worten beschrieb sie das, was in den letzten Stunden vorgefallen war. Der Überfall im Landgasthof, die mysteriösen Angreifer, das Feuer und die Verluste, die sie zu betrauern hatten. Einiges davon befand sich fraglos auf dem Datenträger im Inneren der Kamera, denn Frank hatte fleißig mitgefilmt, aber es schadete sicher nicht, es auch noch von ihr geschildert zu haben. Dann konnten sie nachher - Nachher? Welches Nachher denn? - schneiden, wie es ihnen gerade passend erschien.
    »Zwei Männer sind tot,«, fuhr sie fort, und ihr sachlich-nüchterner Tonfall begann zu schwanken, »Opfer der Fremden, die gekommen waren, um uns alle zu vernichten. Christopher Zollo und George Costanza haben es nicht geschafft. Es… es tut mir leid.« Der letzte Satz kam ihr ganz unbewusst über die Lippen. Als fühle sie sich mitschuldig.
    War das tatsächlich sie? Die ganze Situation kam Jenny mit einem Mal so surreal vor, dass sie sich selbst dabei nicht mehr sicher war. Sie hatte den Auftrag erhalten, von einer banalen Truckerfahrt zu berichten, und nun vermeldete sie Sterbefälle, Morde gar, und ein Verbrechen von immensen Ausmaßen. Nun war vielleicht auch ihr Leben in Gefahr - und zwar durch mehr als nur die unerbittliche Natur.
    »Wir sind nur noch vier Wagen, fünf inklusive unserem eigenen, und momentan halten wir einfach drauflos, fahren weiter Richtung norden. Ich… ich… Ach, verflucht!« Sie beugte sich vor, schaltete das Gerät ab. Es hatte keinen Zweck, in ihrem aufgebrachten Zustand eine Moderation aufzuzeichnen. Wie sollte jemand, der kaum denken konnte, zusammenhängende Satzfolgen formulieren?
    Die junge Journalistin biss sich auf die Unterlippe. Der Schmerz riss sie aus ihrer Panik und half ihr dabei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dann erhob sie sich und ging nach vorn, schob sich auf den Beifahrersitz. Vor der breiten Windschutzscheibe erstreckte sich die nordkanadische Landschaft.
    »Das Herz erglüht, wenn wir dich seh'n, du Nordland, stark und frei.« So hieß es in der Nationalhymne dieses Staates. Und im warmen Licht der Mittagssonne sah die Gegend auch nahezu friedlich aus. Wie etwas Schönes, Aufbauendes. Unberührte Natur. Doch sie täuschte

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