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0924 - Das Totenbuch

0924 - Das Totenbuch

Titel: 0924 - Das Totenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Ich werde dir das Totenbuch als Lektüre geben, willst du?«
    Carol wußte es nicht. Sie wußte auch nicht, ob sie zugestimmt oder abgelehnt hatte, es war nur so, daß sie sich plötzlich auf dem nassen Boden wiederfand und das Geländer der Brücke dicht vor sich sah.
    Ich bin nicht tot. Ich lebe noch! Es wird alles weitergehen, das weiß ich genau…
    Sie stöhnte auf, kroch auf das Gitter zu, stemmte sich dagegen und fing an zu weinen.
    Zu dieser Zeit fuhr kaum ein Wagen über die Brücke, und ein Fußgänger ließ sich erst recht nicht blicken. Dennoch näherte sich ihr eine Gestalt, ein Mann, wie es aussah, groß, dunkel und nur als Schatten im Regen zu erkennen.
    Carol Holmes entdeckte ihn, weil sie sich zur Seite gedreht hatte. Angst spürte sie nicht. Niemand und nichts konnte ihr Angst einjagen. Nicht ihr, nicht einer Person, die mit dem Leben abgeschlossen hatte und den Tod als Erlösung empfand. Sie suchte ihn, er war ein Freund für sie, und da war die Angst überhaupt nicht vorhanden.
    Nach wie vor rauschte der Regen nieder. Er verschluckte alle anderen Geräusche, auch die Tritte der Gestalt. Die schwebte näher, war da, aber irgendwie schien sie sich auch zurückgezogen zu haben.
    Carol kam mit dem Anblick nur schwer zurecht. Es fehlte ihr plötzlich der Überblick. Sie wußte nicht, wie sie diese Person überhaupt bezeichnen sollte.
    Ein Mensch?
    Der Regen lief durch ihr Gesicht und rann auch in den offenstehenden Mund hinein. Sie schmeckte das Wasser, sie schluckte es, und sie kam dabei nicht auf den Gedanken, ihrem Retter zu danken.
    Im Gegenteil, sie wollte wieder hoch und einen zweiten Versuch starten. Den Arm hob Carol zuerst an, damit sie die Hand auf das Geländer legen und sich dort abstützen konnte. Doch mitten in der Bewegung stockte sie, denn da sprach der Fremde wieder zu ihr.
    »Warum willst du es wieder tun?«
    Carol gab keine Antwort. Etwas paßte nicht zusammen. Eine Störung? Nichts, was normal gewesen wäre. Die Lautstärke der Stimme war ungewöhnlich.
    Der Fremde stand nicht direkt neben ihr, sondern entfernt, aber die Stimme hatte sich angehört, als hätte er geradewegs in ihr Ohr gesprochen. Das war einfach nicht zu verkraften, und jetzt spürte sie Furcht.
    Das merkte auch der Fremde. »Nein, keine Angst«, sagte er leise. »Du brauchst keine Angst zu haben. Ich bin gekommen, um dir zu helfen. Sag mir deinen Namen.«
    Sie antwortete spontan. »Carol Holmes.«
    »Gut, Carol, gut. Und du wolltest dich umbringen?«
    »Ja!« drang es über ihre Lippen. »Ja, verdammt noch mal! Ich wollte mich umbringen.« Sie ließ den Arm wieder sinken und ballte die Hand zur Faust, eine entschlossene Geste. »Ich will mich umbringen, und niemand wird mich daran hindern.«
    »Deshalb bin ich auch nicht erschienen.«
    Carol dachte nach. Die Antwort hatte sie verwirrt. Wie konnte der Kerl so etwas sagen? »Nicht erschienen…?«
    »Nein.«
    »Warum bist du dann…?«
    »Weil ich dir helfen will.«
    Sie atmete ein und lachte krächzend. »Also doch. Du bist…«
    Er ließ sie nicht ausreden. »Ich will dir helfen, einen sauberen Selbstmord durchzuführen. Ich werde dir etwas zeigen, bevor du in den Tod gehst. Du sollst die Dinge erleben, die dich erwarten werden. Ist das nicht wunderbar? Du kannst alles schon vorher erkennen. Du weißt genau Bescheid, in welche Welt du gelangst. Ist das nicht wunderbar, Carol? Ist das nicht eine tolle Chance?«
    Die Frau wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie traute dem Fremden nicht. Was er ihr hier erzählte, klang einfach zu unwahrscheinlich, und das folgende Lächeln wirkte verzerrt.
    Er streckte ihr lockend die Hand entgegen. »Komm mit mir, Carol. Vertraue dich mir an, denn ich möchte dir den Weg in das Reich der Toten weisen. Ich bin dein Begleiter, den Vorbereiter auf den Tod. Alles muß seine Richtigkeit haben. Wir werden den Weg gemeinsam gehen und ihn auch gemeinsam erleben.«
    »Bis in den Tod?«
    »Ja, bis in den Tod.«
    Carol kam mit den Antworten nicht mehr zurecht. Durch ihren Kopf tosten die Gedanken. Sie war durcheinander, sie war zudem erschüttert, und sie spürte wieder den Druck an ihrem Arm. Der andere, der Schatten, hob sie kurzerhand an, ohne daß sie sich dagegen wehren konnte. Er zog sie auf die Füße, und erst als Carol stand, da war sie überhaupt in der Lage, den Kopf zu drehen, um sich ihren »Retter« anzuschauen.
    War er ein Mensch?
    Sie sah menschliche Umrisse, aber sie erkannte kein Gesicht. Sie sah auch keinen normalen

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