0924 - Der Herr der Nebelberge
Empfang bereiten. Nhois skeptische Blicke erweckten in Zamorra allerdings leise Zweifel, ob die Reißer sich dadurch beeindrucken ließen.
Immer noch nahm die Lautstärke stetig zu. Dem Professor schmerzten bereits die Ohren. Warum sahen sie noch nichts von den Ungetümen? Zamorra lugte zu der Treppenstraße über ihnen, doch von hier aus konnte er nichts erkennen als die Unterseite der Stufen.
Waren die Reißer schon über ihnen? Waren sie weitergezogen? Oder hatten sie auch die Abzweigung genommen und tauchten jeden Augenblick vor ihnen auf.
Was hätte Zamorra darum gegeben, sein Amulett bei sich zu haben. Sein funktionierendes Amulett, wohlgemerkt!
Er schielte zu Rhett. Mit verkniffenem Gesichtsausdruck starrte der zur Brücke, doch in seiner Miene lag noch etwas anderes, das Zamorra in den letzten Monaten häufiger gesehen hatte: die Verzweiflung, weil ihm die Llewellyn-Magie nicht gehorchen wollte. Die Vergangenheit hatte gezeigt, dass sie das nur tat, wenn Rhett wütend war. Und das war er nicht! Ängstlich ja, aber nicht wütend.
Dylan hatte Schweißperlen auf der Stirn. Ob die von der kräftezehrenden Flucht oder der Aufregung stammten, konnte Zamorra nicht sagen. Der Lauf seines Blasters zitterte nur leicht. Für seinen ersten Einsatz hatte er sich bewundernswert gut unter Kontrolle.
Was man von dem Dhea Nhoi nicht behaupten konnte. Der schlotterte am ganzen Leib.
Da erreichte der Lärmpegel seinen Höhepunkt - und klang danach ganz langsam wieder ab.
Ein erleichtertes Stöhnen ging durch die Reihen. Die dröhnenden Ungetüme waren an der Abzweigung vorbeigegangen.
Rhett heftete den Blaster zurück an die Platte. »Mann, war das laut! Wie viele von diesen Viechern mögen das gewesen sein?«
Der Treppenführer betrachtete den Erbfolger für einen Moment schweigend. »So wie es sich angehört hat, würde der Dhea Nhoi sagen: eines!«
Darauf fiel keinem mehr etwas ein.
Schweigend legten sie den Rest ihrer Wanderung zurück. Vereinzelt ließ Nhoi sie anhalten, weil er in der Ferne oder auf anderen Stufen Fänger, Reißer oder andere Kreaturen ausmachte, aber so knapp wurde es nie mehr.
Und dann - endlich! - erreichten sie ihr Ziel. Die Treppe führte sie geradewegs zwischen riesige, zerklüftete Gipfel.
Zamorra zögerte einen Augenblick, bevor er den Fuß von der letzten Stufe auf den Boden setzte. Er fürchtete, wieder einen unbedachten Schritt zu machen und mit einem Mördertempo gegen den nächsten Baum zu krachen.
»Nur zu!«, sagte der Dhea Nhoi. »Hier ist das Zeitfeld noch nicht entartet.«
»Wo ist diese Festung der Meister?«, fragte Dylan.
Der Treppenführer zeigte auf einen kilometerhohen Felsdorn vor ihnen. »Nur noch dort herum!«
»Na bravo. Können wir vielleicht ein Taxi rufen? Mir tun die Beine weh.«
»Du stellst dich an wie ein Baby!« Rhett Gesicht zeigte jedoch, dass es ihm nicht wesentlich besser ging.
»Hat sich schon mal jemand Gedanken gemacht, wie wir reinkommen? Festung klingt nicht gerade so, als könnte man da einfach hineinspazieren.«
»Guter Punkt!« Der Meister des Übersinnlichen wandte sich dem Dhea Nhoi zu. »Wie viele Dämonen stehen Wache?«
»Keiner«, antwortete Nhoi. »Das ist nicht nötig.«
Sie näherten sich dem Felsdorn und mit jedem Schritt schob sich die Festung weiter dahinter hervor. Bis sie schließlich an dem gigantischen Zacken vorbei waren und das Gemäuer in seiner vollen Pracht bewundern konnten. Sofort sahen sie, was Nhoi gemeint hatte.
»Oh Kacke!«
***
Vor ihnen wuchs eine Trutzburg auf. Ein einstmals stolzer Bau, doch inzwischen genauso verdorben wie der Rest des kleinen Landes . Trotz seiner monströsen Ausmaße wirkte er vor der steil aufragenden Felswand klein und zierlich.
Die Ranken einer schwarzen Kletterpflanze bedeckten wie wimmelnde Würmer große Flächen der Mauern, an anderen Stellen war der Putz abgeblättert.
Die Festung sah alles andere als einladend aus. Ein Eindruck, der durch riesige, dornenbewehrte Tentakel verstärkt wurde, die überall um das Gebäude aus dem Boden wucherten und nach einer unhörbaren Musik hin und her wogten. Einzelne dieser Fangarme ragten höher auf als die Burg!
»Ein Schlag von diesen Dingern und man ist Geschichte!«, hauchte Dylan. »Was ist das?«
»Beißholzbäume!«, antwortete der Dhea Nhoi. »Wenigstens waren sie das früher. Doch als die Festung in Aktanurs Hände fiel, entwickelten sich die harmlosen Pflanzen zu dem, was ihr hier seht. Die Stämme leben! Und sie lassen
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