0924 - Der Herr der Nebelberge
sie gleich da sind.«
Als sie die Eingangshalle betreten hatten, waren dem Meister des Übersinnlichen sofort die Öllampen an den Wänden aufgefallen. Kurz entschlossen hatte er sie von ihren Podesten geholt, die Flüssigkeitsbehälter aufgebrochen und nun stand er vor einem der wuchtigen Portalflügel und zeichnete mit dem Öl magische Zeichen auf das Holz.
»Fertig!«, rief er. »Zumachen!«
Er trat einen Schritt zurück und Rhett und Dylan, die hinter je einer Türhälfte standen, schlossen ohne große Mühe das Portal. Ein lauter Knall ertönte, als die beiden Flügel gegeneinander schlugen.
Zamorra lief zu einem Rad, das wenige Meter vom Tor entfernt neben einer rauen Steinsäule in den Boden eingelassen war, und drehte daran wie ein Besessener. Mit dem Rad konnte er über einen nicht sichtbaren Mechanismus - vielleicht auch mit der Magie der Treppenmeister - einen schweren Riegel vor die Türflügel schieben. Schließlich kamen ihm auch Rhett, Dylan und sogar der dünne Dhea Nhoi zu Hilfe.
»Das sollte die bösen Buben aussperren«, sagte der Professor.
»Und warum hast du dich dagegen gewehrt, in die Festung zu fliehen, wenn wir hier viel sicherer sind?«, fragte Rhett.
»Weil ich nicht wusste, was uns hier drin erwartet. Weil ich nicht wusste, dass wir die Tür schließen können. Weil ich nicht wusste, dass ich etwas finden würde, mit dem ich Dämonenbanner an die Tür zeichnen kann. Und weil wir zwar erst mal vor der geballten Wut unserer Verfolger sicher, aber dennoch eingesperrt sind.«
»War ja nur eine Frage.«
»Wie geht es jetzt weiter?« Endlich hatte Dylan Zeit, sich genauer umzusehen. Sie befanden sich in einer mindestens zehn Meter hohen Halle, in der ein von Säulen gesäumter Gang auf eine breite Treppe zuführte. In Form und Farbton unregelmäßige Platten fügten sich zu einem dennoch glatten Fußboden zusammen. Die kühle Luft roch muffig.
Obwohl die Öllampen nicht brannten, lag die Halle in einem bläulich schimmernden Licht, dessen Quelle Dylan nicht ausmachen konnte. Nur hinter den Säulen herrschte tiefe Finsternis und Dylan musste sich dazu zwingen, nicht eine Horde lauernder Dämonen in der Dunkelheit zu vermuten. Natürlich war der Gedanke albern, denn sonst hätte diese Horde sie längst angegriffen. Dennoch konnte er es sich nicht verkneifen, drei Schritte in die Dunkelheit zu tauchen.
Als er dort erwartungsgemäß nichts vorfand, wegen der Lichtverhältnisse gar nichts finden konnte , kehrte er zurück in den Gang und wiederholte seine Frage.
Von draußen drangen aufgeregte Schreie durch das Portal, unterlegt von einem Teppich aus Globb-Lauten.
»Deine Banner halten die Dämonen wirklich draußen?« Rhetts Stimme war die Nervosität anzuhören.
»Solange ihnen keiner von euch die Tür öffnet, können sie nicht herein.«
»Dann lasst uns Anka suchen. Nhoi, was denkst du, wo sie ist?«
Der Treppenführer sah sich unglücklich um. Ihm war anzumerken, dass er am liebsten weit, weit weg wäre. »Der Dhea Nhoi war nie in der Festung der Meister. Sie ist ihm verboten. Seine Aufgabe ist es, Reisende über die Treppen zu führen, nicht in die Heiligtümer der Treppenmeister…«
»Ja, ja, schon gut. Also wo?«
»Hinter dem Schöpferauge.«
»Dem was?«
»Dem Schöpferauge. Von dem, was der Dhea Nhoi von den Treppenmeistern aufgeschnappt hat, wirkten sie ihre Magie über den großen Kristall in der Festungsmauer. Ihn nannten sie das Schöpferauge. Dahinter soll der Raum ihrer Macht liegen. Dort würde der Dhea Nhoi die Opfer hinbringen, wenn er Aktanur wäre.« Erschrecken legte sich bei diesen Worten auf seine Züge. »Was er natürlich nicht ist. Neinneinnein.«
Sie erklommen die Treppe am Ende des Säulenganges und erreichten einen Absatz, von dem aus eine weitere Treppe in die entgegengesetzte Richtung in die nächste Etage führte. Schließlich kamen sie an ein großes Portal, hinter dem sich eine gewaltige kreisrunde Halle erstreckte.
Anders als der Eingangsbereich der Festung war sie bis in den letzten Winkel spärlich beleuchtet, auch wenn Dylan in dem fensterlosen Raum genauso wenig eine Lichtquelle erkennen konnte wie unten.
In der Mitte der Halle standen zwei hüfthohe Säulen im Abstand von einem Meter. Die linke war leer, doch über der rechten schwebte ein grapefruitgroßer stacheliger Ball. Die Wände waren übersät von kleinen gemauerten Nischen, in denen weitere dieser Bälle ohne erkennbare Halterung in der Luft hingen. Zwischen den Nischen
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