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0926 - Preis der Macht

0926 - Preis der Macht

Titel: 0926 - Preis der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Krämer
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ihm sehr leid. Serhat kannte das, denn ihm ging es ja ganz ähnlich.
    Er wusste nur noch, dass er in der Türkei in ein Kinderheim gebracht worden war, weil man ihn neben seinen toten Eltern gefunden hatte. Was davor geschehen war, hatte er wohl vergessen. Die Polizisten hatten damals von Mord gesprochen, aber Serhat konnte nicht sagen, ob das stimmte.
    Artimus hatte ihm einmal gesagt, dass Dinge, die man für immer vergessen hat, vielleicht ganz schlimme Dinge gewesen sind. Also machte es ja auch nichts, wenn man sie nicht mehr wusste. Vielleicht hatte auch Ted ganz furchtbare Dinge vergessen? Serhat war klug, er fühlte sehr oft, was in Menschen vor sich ging. Und dann konnte er manchmal sogar ganz tief in sie sehen, doch bei Ted traute er sich das nicht.
    Ted kämpfte einen schlimmen und schweren Kampf, das hatte Serhat längst erkannt.
    Plötzlich schreckte er aus seinen Gedanken hoch. Polternd waren die Spielzeugautos aus Teds Händen gefallen. Serhats riesiger Freund kniete auf dem Teppich und starrte auf seine Hände, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Ganz langsam, wie in einem Traum gefangen, drehte Ted seinen Kopf in Serhats Richtung.
    »Wo ist der Stein? Ich habe meinen Stein verloren.« Serhat verstand kein Wort. Hastig kroch er zu Ted hin.
    »Was für einen Stein denn? So etwas haben wir hier doch gar nicht zum Spielen. Was meinst du denn damit?«
    Einige Augenblicke sahen sich die beiden so unterschiedlichen ›Kinder‹ in die Augen, dann schüttelte Ted ganz langsam den Kopf.
    »Ich weiß auch nicht mehr so genau, aber ich hatte einen schönen Stein. Der hat gefunkelt, ganz blau hat der gefunkelt. Und…« Eine steile Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. »Und ich glaube, ich konnte damit ganz tolle Sachen machen und mir wünschen, was ich wollte. Alles, was ich nur wollte, weißt du?«
    »Du spinnst ja. Mit einem Stein - geht doch gar nicht.« Serhat war sicher, dass Ted ihm hier eine Flunkergeschichte auftischte. Doch der ließ nicht locker.
    »Ich habe ihn verloren. Hilfst du mir suchen?« Auf allen vieren kroch er durch das Zimmer, schaute unter Tische und Schränke, hob sogar den Teppich hoch. Natürlich fand er nichts. Schließlich stand er auf. »Dann ist er draußen… irgendwo draußen. Ich muss ihn ganz einfach wiederhaben. Komm, wir gehen auf die Suche, wie nach einem Schatz.«
    Ehe Serhat etwas einwenden konnte, war Ted aus dem Zimmer gestürmt und rannte auf sein Zimmer. Als Serhat dort ankam, war sein Freund schon beinahe komplett angekleidet. Serhat hob beschwörend die Arme in die Luft.
    »Halt, halt doch mal an. Wir dürfen doch jetzt nicht mehr nach draußen, das weißt du doch. Es ist schon beinahe ganz dunkel… und da ist das sowieso verboten. Denk doch mal nach. Wenn man uns erwischt, gibt das mächtig Ärger. Keinen Nachtisch, Strafarbeit, Fernsehverbot oder so. Ich will das alles aber gar nicht.«
    Für Serhat war das Thema damit erledigt. Er setzte sich auf Teds Bett und verschränkte die Arme vor der Brust. Sein Freund jedoch sah das ganz anders. »Dann geh ich eben alleine. Ich will den Stein finden… ich muss ihn einfach finden!«
    Serhat glaubte nicht, was er sah. Ted zog sich seine dicke Jacke über und schlich aus dem Zimmer. Serhat war bestürzt. Er konnte Ted doch nicht einfach alleine gehen lassen. Das ging nicht.
    »Warte doch.« Serhat zischte die Worte hinter Ted her, denn er hatte das Gefühl, etwas Unrechtes zu tun. Und unrechte Dinge kamen immer ans Licht - das würde kein gutes Ende nehmen. »Warte, lass mich doch wenigstens meine Schuhe und Jacke holen. Ich komme ja mit.«
    Ted grinste. Mehr hatte er ja auch nicht gewollt.
    Die beiden schlichen sich leise wie auf Katzenpfoten die breite Treppe hinunter. Überall schien es in der Villa ruhig zu sein. Erstaunlich, denn der Abend war noch jung. Aus dem Teil des Gebäudes, der von den Erzieherinnen und van Zant bewohnt war, klangen leise Gespräche an Serhats Ohren. Wahrscheinlich redeten die wieder von den Dingen, die alle am Tag geschehen waren. Das machten sie immer und nannten das dann Teamgespräch oder Reflexion .
    Aus den Räumen, in denen sich die Kinder für gewöhnlich vor dem Schlafengehen aufhielten, war kaum etwas zu vernehmen. Niemand war in der großen Eingangshalle. Wie zwei Diebe - oder doch eher Ausbrecher - schlichen die zwei zur Tür, schlüpften nach draußen und waren nur Sekunden später auf der Straße. Serhat blickte hoch zu seinem Freund.
    »Und wo willst du jetzt

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