0926 - Preis der Macht
suchen?« Er ahnte, dass Ted das selbst nicht so genau wusste. Und er sollte recht behalten. Der blonde Hüne zuckte mit den Schultern. Dann blickte er sich nach allen Seiten hin um und zeigte plötzlich in eine bestimmte Richtung.
»Dort lang…« Überzeugt klang das nicht, doch was blieb Serhat schon noch anderes übrig, als Ted zu folgen. Er konnte ihn doch jetzt nicht mehr im Stich lassen. Ohne es zu wissen, gingen die beiden in Richtung der Innenstadt von El Paso, in der auch um diese Uhrzeit das Leben tobte - mit all seinen Facetten, seien sie nun positiv oder das extreme Gegenteil.
Schon bald kamen sie in belebtere Straßen und jeder, der das ungleiche Paar sah, dachte sich irgendetwas dabei. Am ehesten noch, dass das sicher Vater und Sohn waren, die einen kleinen Spaziergang machten. Irgendwann griff Serhat nach Teds Hand, denn langsam kroch die Angst in ihm hoch. Alleine war er noch niemals zuvor so weit weg von der Villa gewesen.
Serhat spürte, dass Teds Hand feucht war. Also hatte auch sein großer Freund Angst.
War das jetzt ein Abenteuer?
Wenn ja, dann gefiel es Serhat schon jetzt nicht mehr…
***
Tan Morano fühlte sich einfach nur angeekelt.
Dieser Fazio Linza verkörperte alles, was Morano strikt ablehnte. Wie konnte ein Vampir sich nur so gehen lassen? Wie konnte er sich nur so gehen lassen? Der Mann schwitzte aus jeder Pore seines Körpers - und der Gestank des Angstschweißes verursachte bei Tan Übelkeit. Er trat einige Schritte von Linza zurück, hielt sich ein Taschentuch unter die Nase.
Aber es war ja nicht nur der unerträgliche Zustand des Vampirkörpers. Sinje-Li hatte absolut recht, wenn sie die Vermenschlichung der Vampire anprangerte. Dieses Thema hatten Morano und sie ausführlich erörtert, doch nun stimmte er ihr voll und ganz zu.
»Hast du keine Scham, Mann? Besitzt du keinen Spiegel? Wo ist deine Ehre geblieben?« Morano ertrug den Anblick des Clanführers kaum noch. »Wir Vampire haben uns immer für die Krönung der Schöpfung gehalten, für die Sahnehaube auf dem Kuchen der Schwarzen Familie. Einst standen wir für Poesie, für Wissenschaft und alle feinen Künste. Und heute? Du bist das Paradebeispiel für den Verfall unserer Rasse.«
Fazio Linza sprach kein einziges Wort. Was wollte Morano von ihm? Eine Strafpredigt halten? Lange würde er sich das nicht mehr anhören, wenn er auch gehörige Angst vor dieser Vampirin hatte, die eiskalt zu handeln schien. Morano hörte nicht auf zu reden.
»Kunst und Wissenschaft waren unser Revier - heute sind es Drogenhandel und Straßenstrich. Ihr seid schlimmer als die Mafia selbst. Ich weiß, in anderen Teilen der Erde sieht das nicht anderes aus, auch dort bilden die Clans verbrecherische Organisationen. Wie konnte das so weit kommen?«
Linza reichte es nun doch.
»Du spielst hier den Moralapostel? Ausgerechnet du? Über all die Jahrhunderte hinweg hat das Nachtvolk immer wieder nach dir gerufen, wenn es ohne Führer war, doch du hast dich immer verweigert und dein Luxusleben gelebt. Glaubst du, die Schwestern und Brüder der Nacht hätten so ein Leben nicht auch einmal genießen wollen? Viel zu lange haben wir uns wie Tiere verstecken müssen, weil die Menschen uns jagten. Doch irgendwann einmal entdeckten wir, dass es auch anders geht. Was denkst du wohl, warum wir unsere Clans in die größten Städte gesetzt haben? Weil wir dort auf Blutjagd gehen können, ohne dass es besonders auffällt. In den Metropolen verschwinden tagtäglich so viele Menschen, dass die von uns erlegten Opfer gar nicht weiter auffallen. Auf dem Land hast du gleich eine Horde Bauern und Pfaffen auf den Fersen, wenn auch nur ein einziger Mensch gerissen wurde.«
Das alles war Morano nicht neu, doch es erklärte nicht den offensichtlichen Verfall von allem, wofür Vampire einmal gestanden hatten. Doch Linza war noch nicht fertig. Er grinste Morano feist an, und ein wenig Sabber lief ihm dabei aus dem Mundwinkel. Sinje-Li schloss angewidert die Augen.
»Und du? Ich habe dich früher mit deinen Luxuskarossen durch Rom fahren sehen. Ich kenne einige deiner sogenannten Unterschlüpfe. Nicht übel, muss ich schon zugeben. Willst du mir erzählen, das alles entstammt ehrlich verdientem Geld?« Linza lachte hysterisch auf. Seine Fistelstimme überschlug sich dabei beinahe.
Einige Sekunden blieb Morano stumm. Dann brachte er Fazio Linza mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Auch wenn du es nicht glauben wirst - man kann seine finanziellen Mittel auch
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