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0928 - Der Fliegenmann

0928 - Der Fliegenmann

Titel: 0928 - Der Fliegenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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erkennen. Auch jetzt konnte sie keine Haar erkennen. Rasch richtete sich ihr Blick auf etwas anderes, die Stirn.
    Dort war eine ungewöhnlich geformte Narbe zu erkennen, als hätte jemand die Haut aufgeschnitten, sie dann in die Höhe gezogen, um sie anschließend wieder zusammenzuziehen. Innerhalb des ziemlich großen Dreiecks malte sich ein kugeliger Wulst ab, den sich die alte Frau ebenfalls nicht erklären konnte.
    Sah so ein Toter aus?
    Sie konnte es noch immer nicht glauben. Auf der anderen Seite aber sah sie keinen Grund, weshalb sie der Fremde hätte anlügen sollen. Es war die Angst. Er brachte die Furcht. Er brachte auch das Grauen über die Menschen, wenn er sich ihnen zeigte.
    »Wo kommst du denn her?« wagte sie eine Frage. »Hat man dich aus dem Grab geholt? Oder hat dich der Teufel geschickt?«
    Er grinste, aber die Lippen blieben dabei geschlossen. »Der Teufel?« flüsterte er. »Ich weiß es nicht, ob man ihn Teufel nennen kann. Wenn du willst, dann tu es.«
    »Was willst du denn?«
    »Dich.«
    »Ich bin alt…«
    »Du bist es, das stimmt, aber das Alter spielt bei uns keine Rolle mehr. Ich will dich.« Er löste seine Hände von der Tischplatte und winkte ihr mit dem linken Zeigefinger zu. »Steh auf. Komm in die Höhe. Bleib nicht mehr sitzen. Du kannst aufstehen. Los!«
    »Warum?«
    »Tu es. Du gehörst zu mir, du kannst dich nicht mehr wehren. Du bist jetzt an meiner Seite.«
    Jovanka hatte die Worte gehört, sie auch verstanden, aber ihr fehlte der Glaube daran. Sie wollte es nicht sein, sie wollte auch weiterhin ihr normales Leben führen, wie sie es immer getan hatte. Dieser Mensch war einfach schrecklich. Er bezeichnete sich selbst als die Angst. Er war ein Toter, der lebte! In ihm war all das auf eine gewisse Weise lebendig geworden, von dem in den schlimmsten Geschichten immer erzählt und berichtet wurde.
    Über Leichen, die in der Nacht zu den Menschen kamen. Väter stiegen aus ihren Gräbern, um ihre Kinder und ihre Witwen zu besuchen. Alles war anders, alles war unheimlicher, wenn die Toten in ihren Gräbern keine Ruhe mehr fanden.
    War es auch bei Edgar so gewesen?
    Ja, er schien keine Ruhe gefunden zu haben. Er war aus dem Grab geklettert und hatte zuvor sein Totenhemd zerrissen. Dann hatte ihn nichts mehr gehalten. Er war wieder in seine Welt zurückgekehrt.
    Deshalb hatte sich seine Haut auch so neutral angefühlt. Kein Leben steckte in ihr. Sie war anders gewesen, neutral, schlimm eigentlich..
    Die Frau tat, was der Besucher wollte. Sie stand auf und spürte wieder in ihren müden Knochen das Alter.
    Edgar war einen Schritt zur Seite getreten. Er winkte ihr zu.
    »Komm her, komm zu mir!«
    »Warum?«
    »Ich will dich umarmen.«
    Jovanka schluckte. Wieder zuckten ihre Lippen. Sie hatte vor, etwas zu sagen, es war nicht möglich. Der innere Druck verschloß ihr den Mund.
    Edgar schaute ihr lächelnd entgegen. In seinen Augen bewegte sich nichts. Kein Ausdruck, keine Güte, keine Freundlichkeit, sie blieben einfach starr.
    Aber die Außenhaut seiner Nase zitterte. Es gab keinen ersichtlichen Grund dafür. Aus den Nasenlöchern krochen die dicken Fliegen in einer langen Spur hervor.
    Sie waren noch da. Sie waren nicht verschwunden. Es gab sie nach wie vor. Das alles schoß der alten Frau durch den Kopf. Dieser gesamte Schwarm hatte sich eine neue Heimat gesucht und…
    Ihre Gedanken brachen ab, denn der Mann vor ihr hatte blitzschnell zugegriffen. Sie spürte seine Hände an ihrem Körper. Das waren keine normalen Hände. Was sie da packte, glich neutralen Zangen, die sie nicht mehr loslassen wollten.
    Er zog sie zu sich heran.
    Die Fliegen krochen auch jetzt aus seinen Nasenlöchern hervor und verteilten sich auf dem Gesicht. Auch jenseits der Augäpfel machte sich ein gewisser Druck bemerkbar. Es sah so aus, als wollten die Augäpfel nach vorn geschoben werden, aber die Fliegen dahinter hatten eben nur kleine Lücken gesucht, um ins Freie zu krabbeln.
    Er lachte.
    Dabei öffnete er den Mund!
    Urplötzlich drang ein gewaltiges Summen an die Ohren der alten Frau. Die gesamte Mundhöhle des Mannes war von einem summenden und zuckenden Wirrwarr aus Fliegen besetzt.
    Und hinter ihnen, tief in der Kehle, wo sie möglicherweise auch noch saßen, erklang ein rauhes, grummelndes und auch grausam klingendes Lachen.
    Einen Moment später fühlte sich Jovanka von dieser Gestalt umarmt. Edgar riß sie nicht mal fest an sich, er war in gewisser Hinsicht sogar sanft und zart, aber er ließ sie

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