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0928 - Der Fliegenmann

0928 - Der Fliegenmann

Titel: 0928 - Der Fliegenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nicht los, und die alte Frau spürte den Druck seiner Arme. Er hielt sie umschlungen wie eine Geliebte, nur hatte dieser »Liebhaber« etwas anderes mit ihr vor.
    Es war der Frau nicht aufgefallen, daß sie in die Mitte des Raumes gezogen worden war. Hier standen sie beide, und die Arme umfaßten Jovanka noch immer.
    Der Druck nahm zu.
    Das Summen ebenfalls.
    Sie riß die Augen weit auf.
    Hunderte oder Tausende von Fliegen umsummten sie. Sie hatten die Gestalt verlassen, sie bildeten wieder die schwarze Wolke, aber die Gestalt war nicht mehr zu sehen.
    Jovanka sah keinen Menschen mehr. Alles war so anders geworden. Es gab nur die Fliegen, die zittrigen Körper, das Summen und Brummen um sie herum.
    Gibt es mich noch?
    Sie wußte es nicht mehr. Die Fliegen hatten das Kommando übernommen. Sie waren überall. Außen und innen. Sie hatten die Macht übernommen, denn was war schon der Mensch gegen sie?
    Wissenschaftler hatten herausgefunden, daß es Fliegen sein würden, die eine Atomkatastrophe überleben würden. Sie hatten während Jahrmillionen alles überlebt.
    Auch die Menschen!
    Es gab keinen Körper mehr. Es gab nur die Fliegen, die eine dichte Mauer um Jovanka gebildet hatten, und diese Mauer bewegte sich in sich selbst immer weiter.
    Bis sie plötzlich einstürzte.
    Die alte Frau nahm dies auf eine besondere Art und Weise wahr.
    Sie fühlte sich wie jemand, der dabei war, sich allmählich aufzulösen. Sie glaubte wegzuschwimmen, abzutauchen, nicht mehr da zu sein, sich einfach der anderen Macht hinzugeben.
    Noch konnte sie denken, aber es dauerte nur mehr Sekunden, dann war auch das vorbei.
    Trotzdem war der Raum nicht leer. Unzählige Fliegen bildeten eine summende schwarze Wolke…
    ***
    Wir hatten die Grenze hinter uns gelassen, befanden uns jetzt in Tschechien, fuhren jedoch abseits der normalen Reiserouten. Wir rollten durch die Provinz, über Straßen, die sich in einem erbärmlichen Zustand befanden. Schlaglöcher, enge Kurven, schlechter Belag.
    Die Stoßdämpfer des Opels wurden arg strapaziert, und Harry verzog immer mehr das Gesicht. »Wie in alten Zeiten«, hatte er einige Male gesagt und dabei an die frühere DDR gedacht. »Aber ich will mich nicht beschweren. Erst die Freiheit, dann neue Straßen – wenn Geld vorhanden ist.«
    Ich hob nur die Schultern und hing ansonsten meinen Gedanken nach. Harry hatte mich längst eingeweiht. Jetzt wußte ich ebenso viel wie er. Aber besonders schlau waren wir nicht geworden. Es ging um einen toten Doppelagenten namens Edgar Bronzek, der angeblich nicht mehr tot sein sollte. Er war aus seinem Grab geklettert und hatte sich den Menschen gezeigt.
    Was davon stimmte, wußten wir nicht. Jedenfalls hatte er einigen Leuten diesseits und jenseits der Grenze Kopfzerbrechen bereitet, und es gab sicherlich auch welche, die nicht mehr an ihn erinnert werden wollten, weil die damaligen Verhältnisse ganz andere gewesen waren.
    Dieser Edgar Bronzek war so etwas wie eine Zeitbombe. Er wurde als Zombie gehandelt. Eine Tatsache, über die man unterschiedlicher Meinung sein konnte. Harry glaubte daran, wenn alles so zutraf, wie man es ihm gesagt hatte. Ich war dagegen etwas skeptischer.
    Nicht, daß ich die Existenz irgendwelcher Zombies abgestritten hätte, aber in diesem Fall ging es eben um ein Geschöpf, das sein Grab verlassen hatte, wobei der Begriff Grab ebenfalls nicht zutraf.
    Man hatte ihn irgendwo an einer einsamen Stelle verscharrt, wo ihn niemand finden sollte. Zum Glück war eben nicht alles vergessen worden, was früher einmal geschehen war, und so hatte Harry Stahl auch die Skizze bekommen können, die jetzt auf meinen Knien lag, denn ich war so etwas wie ein Fährtensucher.
    Die Namen der Orte kamen mir manchmal unaussprechlich vor, aber das Dorf, das am nächsten lag, hieß Petlery. Das hörte sich fast englisch an.
    Daß wir uns auf der richtigen Straße befanden, hatte ich meinem Freund Harry einige Male bestätigt, und er war auch zufrieden gewesen. Die Straße führte südlich an Petlery vorbei, aber nicht so weit, als daß wir nichts von diesem kleinen Ort gesehen hätten. Wir entdeckten einen grauen, nicht allzu hohen Kirchturm. Wir sahen die Hausdächer über die Felder hinwegschauen, und auf den schmalen Wegen rollten ab und zu Fahrzeuge, aber nur wenige Pkw. Dafür mehr Fahrräder oder Pferdegespanne. Wer einen Traktor besaß, war schon ein kleiner König, aber diese Fahrzeuge waren zumeist so alt, daß sie eigentlich längst ins Museum gehört

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