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093 - Der Geist im Totenbrunnen

093 - Der Geist im Totenbrunnen

Titel: 093 - Der Geist im Totenbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cedric Balmore
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Gemäuer am hinteren Gartenende. Glauben die Leute vielleicht, daß Carrington sich hineingestürzt haben könnte?“
    In ihrer Stimme klang eine gelungene Mischung von mildem Spott und Amüsement mit, so daß Jameson sich verpflichtet fühlte, verständnisinnig zu grinsen.
    „Sie wissen, wie die Leute sind. Wenn es keine Fakten gibt, die sie schön breit auswalzen und ausdeuten können, saugen sie sich etwas aus den Fingern. Aber ganz im Ernst: Warum nennt man das alte Gemäuer ‚Totenbrunnen’?“
    „Das wissen Sie nicht?“ fragte Daphne. „Ich kenne natürlich nur die Legende. Einer der ersten Bewohner des Hauses hieß Carinius. Sein Bild hängt im Museum. Er wurde von seiner Familie umgebracht, heißt es. Sie warfen ihn in den Brunnen, aber Carinius kehrte angeblich zurück, um sich zu rächen. Er terrorisierte die Familie so lange, bis sich die Frau und die beiden Kinder am Ende aus Verzweiflung ebenfalls in den Brunnen stürzten.“
    „Aha“, meinte Jameson skeptisch. „Klingt ein bißchen nach Märchen und Mittelalter, wirklich überliefert ist das ja wohl nicht, oder?“
    „Nein, die Dokumente aus dieser Zeit sind im sechzehnten Jahrhundert bei einem Kirchenbrand vernichtet worden“, sagte Daphne.
    „Sie wissen über diesen Ort besser Bescheid als ich“, meinte Jameson. „Werden Sie hierbleiben?“
    „Ich weiß es noch nicht“, entgegnete Daphne. „Erst muß ich mich mit juristischen Dingen befassen, die mit der Erbschaft zusammenhängen, danach werde ich eine Entscheidung treffen. Ich hänge sehr an Marhill Place, hier bin ich mit Leroy glücklich gewesen – aber ich bin allein, und es wäre doch wohl sehr töricht, aus sentimentalen Erwägungen in einem Haus mit 30 Zimmern zu wohnen…“
    Jameson ging.
     

     
    Daphne tanzte durch das Zimmer. Sie hatte gewonnen! Nach all den Schrecken, die Leroys Tod nach sich gezogen hatte, sah es endlich so aus, als ob sich doch noch alles zum Guten wenden würde.
    Der Inspektor würde die Vermißtenanzeige weiterleiten und erfolglos versuchen, Angehörige dieses mysteriösen Mr. Carrington zu finden. Die Leute im Ort würden noch eine Zeitlang über den Fall tuscheln, aber am Ende würde Gras über die Geschichte wachsen.
    Daphne hatte den Wunsch, sich Harry mitzuteilen, aber diesmal widerstand sie ihrem Verlangen. Sie ordnete sich den Notwendigkeiten der Absprache unter und baute darauf, daß nach wenigen Wochen alles überstanden sein würde.
    Sie war stolz darauf, die Hauptlast der schmutzigen Aufgabe übernommen und getragen zu haben. Harry O’Neill würde das anerkennen und honorieren müssen…
    Natürlich war es quälend, zu wissen, daß im Brunnen die Leiche von Leroy Carrington lag, aber selbst wenn die Polizei auf die Idee verfallen sollte, den Brunnen auszuloten, würde sie schwerlich finden, was sie suchte.
    Er war einfach zu tief. Niemand wußte genau, wie und wo er endete.
    Leroy hatte sich einmal damit befaßt und behauptet, es sei kein gebohrter, sondern ein natürlicher Brunnen. Früher habe eine Quelle in ihm existiert, um deren Öffnung die Mauer gezogen worden sei. Irgendwann sei die Quelle aber versiegt, der Schacht ausgetrocknet, und zurückgeblieben sei dieser unergründliche Erdschlund…
    Allerdings gab es wenige Yards unterhalb der Brunnenöffnung einen Mauervorsprung; auf ihn hatten Daphne und Harry Leroys Leiche abgelegt und später wieder hervorgeholt, weil ihnen gerade noch rechtzeitig eingefallen war, daß sie ihn nicht einfach verschwinden lassen konnten.
    Daphne brauchte den Toten vor allem deshalb, weil sie ohne ihn weder die Erbschaft antreten, noch – wenn auch viel später – Harry heiraten konnte.
    Daphne beschloß, die Zeit des Alleinseins auszunutzen und nach London zu fahren.
    Sie würde sich dort einen Notar suchen und ihn darum bitten, alles Notwendige in die Wege zu leiten, was mit der Erbschaft zusammenhing. Vor allem aber würde sie sich für ein paar Tage von den Ängsten und Strapazen lösen, denen sie auf Marhill Place ausgesetzt war. Einen kurzen Urlaub konnte ihr niemand ernstlich anlasten, dafür würde sogar Inspektor Jameson Verständnis aufbringen.
    Daphne packte den Koffer, ließ sich von Bradford zum Bahnhof bringen und war mit dem Abendzug unterwegs, nachdem sie Harry kurz vorher telefonisch informiert hatte. Daphne fühlte, wie während der Fahrt alle Kümmernisse von ihr abfielen und gleichsam gegenstandslos wurden.
    In London mietete sie sich im „Dorchester“ ein.
     

     
    Am

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