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093 - Der Geist im Totenbrunnen

093 - Der Geist im Totenbrunnen

Titel: 093 - Der Geist im Totenbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cedric Balmore
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nächsten Morgen machte sie einen ausgedehnten Einkaufsbummel, dann suchte sie einen Notar auf, von dem sie gesprächsweise schon einmal gehört hatte. Er akzeptierte den Auftrag und versprach, nach Hillory Village zu kommen.
    Danach fühlte Daphne sich freier und gelöster als vorher. Sie hatte jetzt ein paar Tage vor sich, die ihr gehörten. Sie konnte tun und lassen, was ihr Spaß machte. Sie speiste in guten Restaurants, besuchte Modeboutiquen, kaufte, was ihr gefiel. Lediglich einen Museumsbesuch vermied sie.
    Obwohl Daphne meinte, sich gegen alle Widerstände durchgesetzt zu haben, hatte sie immer noch einen geheimen Horror vor alten Bildern, vor Geschichte und Legenden – als könnte sie bei einem Zusammentreffen mit diesen Dingen plötzlich auf jenen sagenumwobenen W. Carinius stoßen, der ihr in Gestalt von Wilson Carrington alias Leroy Chester begegnet war.
     

     
    Am Abend des zweiten Tages suchte sie eine Diskothek auf. Zu diesem Zweck hatte sie einen bunten Pullover über ihre schwarze Bluse gezogen. Natürlich war ihr bewußt, daß sich ein solcher Lokalbesuch für eine trauernde Witwe nicht geziemte, aber Hillory Village war weit von London entfernt und sie war versessen darauf, zu erproben, inwieweit sie noch auf junge Männer zu wirken vermochte.
    Ihr Auftreten war ein durchschlagender Erfolg. Man riß sich um sie, man holte sie geradezu pausenlos zum Tanz, bat um ein Rendezvous und machte ihr Komplimente. Sie fühlte sich wieder wie ein junges Mädchen und genoß das Umschwärmt werden in vollen Zügen.
     

     

Als sie weit nach Mitternacht ins Hotel zurückkehrte, sagte der Nachtportier zu ihr: „Sie haben Besuch, Madame.“
    „Besuch?“ wunderte sie sich und dachte an Harry. Hatte er sich tatsächlich von seiner Arbeit losgerissen, war er ihr nach London gefolgt?
    Noch während sie sich fragte, ob Harry von Eifersucht oder Liebe getrieben worden sein mochte, fügte der Portier hinzu: „Ja, Madame. Ihr Gatte ist eingetroffen.“
    Daphne hatte Mühe, ihr jähes Erschrecken zu verbergen. Begann der Psycho-Terror von neuem?
    Harry würde niemals auf den Gedanken gekommen sein, sich im Hotel als ihr Mann auszugeben. „Wo ist er?“ fragte sie.
    „Wir konnten ihm das Zimmer neben Ihrem geben – Nummer 19“, sagte der Portier und überreichte ihr den Schlüssel. Daphne nickte wie betäubt und ging zur Treppe. Sie fühlte die Augen des Mannes in ihrem Rücken.
    Langsam stieg sie die Treppe hinauf. Sie hatte Angst vor der unausweichlichen Begegnung mit ihrem Besucher. War es wirklich Leroy? War er zurückgekommen, hatte er sein Versprechen eingelöst?
    Sie ging den Korridor hinab, betrat ihr Zimmer, lehnte sich mit geschlossenen Augen gegen die Innenseite der Tür und überlegte, was zu tun sei. Nur nicht in Panik geraten! Vielleicht stellte sich das Ganze als ein Scherz oder eine Verwechslung heraus, Chester war kein ungewöhnlicher Name, vielleicht lag hier der Schlüssel für den Irrtum des Portiers.
    Sie stieß sich von der Tür ab, betrat das Badezimmer und musterte sich im Spiegel. Ihre Angst flaute ab. Sie frischte ihr Make-up auf und nahm sich vor, sich nicht verblüffen zu lassen. Sie hatte bis jetzt alle Klippen genommen, sie würde auch diese Schwierigkeit meistern. Daphne machte kehrt, steckte sich eine Zigarette an und erschrak, als es klopfte. „Ja?“ rief sie halblaut und blickte zur Tür. Jameson trat über die Schwelle.
    „Inspektor!“ stieß Daphne überrascht hervor. „Sie in London?“
    Er schloß die Tür hinter sich. „Ich bin dienstlich hier“, sagte er steif.
    „Das kann ich mir denken.“
    „Ich muß Sie ersuchen, dieses Dokument zu unterschreiben“, meinte er und entnahm seiner Brieftasche einen zusammengefalteten Bogen. „Es ermächtigt die Behörden, noch einmal das Grab Ihres Mannes zu öffnen.“
    Daphne setzte sich. „Wie bitte?“
    Jameson kam schulterzuckend näher. „Es ist mir unsagbar peinlich, diese Unterschrift von Ihnen verlangen zu müssen, aber die mir vorgesetzte Behörde besteht darauf. Es sind verschiedene Anzeigen eingegangen, die es ratsam erscheinen lassen, nachträglich eine Obduktion vorzunehmen.“
    „Eine Obduktion – wozu?“
    „Offenbar sind Zweifel an der Todesursache aufgetaucht“, sagte Jameson.
    „Eine Frage. Haben Sie sich als mein Mann ausgegeben?“ fragte Daphne.
    „Nein, wie kommen Sie darauf?“
    „Der Portier sagte mir, mein Mann sei gekommen. Ich war einfach zu konsterniert, um ihn zu korrigieren.“
    Jameson

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