0932 - Das 14. Siegel
Triumph war ihm deutlich anzuhören.
»Ein Erfolg! Was für ein großer Erfolg!«
»Was hast du mit mir gemacht?«, fragten die Mädchen wie aus einem Mund.
Kathryne erstarrte. »Was soll das heißen, was er mit dir gemacht hat? Er hat dich aus mir geschaffen!«
Das Mädchen verzog das Gesicht vor Wut. »Unsinn! Es war doch wohl eher anders herum!«
Krychnaks Lachen steigerte sich zu einem ohrenbetäubendem Sturm. Als es wieder nachgelassen hatte, sagte er zu dem Mädchen: »Es tut mir leid, aber Kathryne hat recht. Ich habe dich aus ihr geschaffen. Deshalb sollst du einen eigenen Namen erhalten. Wie wäre es mit Anne?« Dann lachte er erneut, als hätte er einen grandiosen Witz gerissen.
»Das war alles, was du wolltest?« Kathryne konnte es nicht fassen. »Du wolltest eine Farbkopie von mir erstellen?«
(Zweitausend Jahre später und doch im Augenblick anwesend, war sich Dylan sicher, dass Kathryne ein anderes Wort als Farbkopie benutzt haben musste. Es war lediglich eine weitere Interpretation des Geschehens durch seinen Erfahrungsschatz. Wie die Armbanduhr.)
»Oh nein, mein Kind. Es geht um wesentlich mehr! Hast du schon einmal von der Erbfolge gehört?«
»Nein, was soll das sein?«
»Ich bin nicht nur eine Farbkopie!«, ließ Anne in diesem Augenblick vernehmen.
Krychnak nahm den Einwurf nicht zur Kenntnis. »Die Erbfolge ist ein Dorn des Lichts im dunklen Fleisch der Hölle! Wenn der Erbfolger stirbt, wird er im Leib seines Sohnes wiedergeboren. In ihm lebt er ein Jahr länger als in seinem vorigen Körper, bis er wieder stirbt und erneut in seinem Sprössling zu neuem Leben kommt.« Mit jedem Wort schien Krychnaks gute Laune zu schwinden. »Einmal in jeder Inkarnation erschafft er einen Kämpfer gegen die Mächte der Finsternis, einen Unsterblichen, indem er einen Auserwählten zur Quelle des Lebens bringt. Das wäre schon schlimm genug, doch was den Ministerpräsidenten des Satans am meisten stört, ist, dass die Erbfolge vor langer Zeit ein Werkzeug des Bösen war!«
»Ich verstehe kein Wort«, sagte Kathryne. »Was habe ich damit zu tun?«
»Ich - bin - nicht - nur - eine - Farbkopie!«, fauchte Anne.
»Du hast gar nichts damit zu tun«, beantwortete Krychnak Kathrynes Frage. »Du bist bloß ein Experiment. Hobart, der derzeitige Erbfolger , wird bald sterben und in seinem Nachfolger wiedergeboren. Doch genug geplaudert! Mein Versuch ist gelungen, dafür schulde ich dir Dank.« Er sah zu Anne und korrigierte sich: »Dafür schulde ich euch Dank. Und nun müsst ihr leider sterben. Es tut mir leid, Anne, dass dir nur ein so kurzes Leben beschieden war.«
Offenbar wollte Krychnak seine Pläne nicht mit Kathryne teilen. Das war aber auch nicht nötig. Denn durch die Magie, die der Dämon in sie gepumpt hatte, hallte noch immer ein Echo in ihr nach. Es wurde zwar ständig leiser und würde bald verstummen, doch es reichte aus, den Rest von Krychnaks Plan zumindest zu erahnen.
An den erwachsenen Erbfolger wagte der Dämon sich nicht heran. Dieser verfügte über eine starke Magie, die schon anderen zum Verhängnis geworden war, die ihn hatten ausschalten wollen. Als Säugling hingegen besaß er noch keine oder nur instinktive Kräfte, auch wenn die Magie in ihm natürlich schon angelegt war. Viele vor Krychnak waren gescheitert, weil sie versucht hatten, die Erbfolge zu beenden - wogegen diese sich offenbar wehrte. Deshalb wolle der Augenlose einen anderen Weg gehen: Er wollte den Erbfolger entführen, solange er ein wehrloser Säugling war. Dann wollte er ihn mit seiner speziellen Neuwerdungsmagie doppeln und einen Zwilling von ihm erschaffen. Den, der die verfluchte gute Seele in sich trug, wollte er töten, das Doppel aber im Sinne des Bösen erziehen. Der dunkle Zwilling, der Nachtbruder des Erbfolgers , sollte durch Krychnaks Magie unsterblich werden, sodass die Erbfolge nie endete - aber nun wieder ein Werkzeug des Bösen war.
Kathryne hatte nur dazu gedient zu prüfen, wie viel seiner Kraft er aufwenden musste und ob er überhaupt fähig war, einen Nachtbruder eines geringfügig magisch begabten Wesens zu erschaffen.
Und nun, da er es wusste, konnte er sein Experiment entsorgen. Er formte die Hände zu Klauen.
Kathryne wusste, was gleich passieren würde. Lohende weiße Flammen würden aus seinen Händen schießen und sie töten.
»Nein!«, schrie sie und machte instinktiv einen Schritt auf Anne zu.
»Nein!«, schrie auch Anne. Ihre Schultern berührten sich. Kathryne spürte ein
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