0932 - Das 14. Siegel
war.
Mitten in der Höhle stand Merlin und lächelte ihn geheimnisvoll an.
***
»Ich glaube, wir können den nächsten Versuch wagen«, sagte Uschi Peters.
Sie saßen noch immer an Ankas Bett und hatten sich in den letzten Minuten von den Strapazen der ersten Verbindung mit Ankas Geist erholt. In Ermangelung an Alternativen waren sie übereingekommen, dass sie es noch einmal probieren sollten. Vielleicht fanden sie irgendwo die Seele des zweitausendjährigen Mädchens, verloren in ihren Erinnerungen. Und vielleicht konnten sie sie nach Hause bringen - zurück in ihren Körper.
Allerdings hatten die Peters-Zwillinge darum gebeten, sich vorher ausruhen zu dürfen.
Rhett und Dylan hatten die Plätze getauscht und so saß nun der Erbfolger in dem gemütlichen Sessel. Die Folge davon war, dass er nahezu sofort eingeschlafen war. Sein Kinn ruhte auf der Brust und er gab leise Schnarchlaute von sich.
»Sollen wir ihn wecken?«, fragte Monica.
Dylan überlegte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. »Er hat in den letzten Wochen aus Sorge um Anka kaum geschlafen. Gönnen wir ihm die paar Minuten der Ruhe. Wir können ihm später erzählen, was wir gesehen haben.«
»Wie du willst. Dann lass uns beginnen.«
Die Schwestern nahmen sich bei der Hand, schlossen die Augen und nur Momente später wurde Dylan überflutet…
... von Schmerz. Er fühlte Ankas Qual, konnte sie schmecken, konnte sie atmen. Bilder aus den unterschiedlichsten Epochen rasten an ihm vorbei. Erinnerungen, unsortiert, durcheinander und so kurz, dass sie keinen Sinn ergaben. Ein Brei aus Gefühlen, Gedanken, Erinnerungsblitzen. Und dann kehrte wieder Ruhe ein und ...
... Kathryne erwachte. Zu ihrer Überraschung stand sie aufrecht, ohne dass etwas ihr Halt gegeben hätte. In ihrem Mund lag ein Geschmack, als wäre darin vor Monaten eine Ratte verendet. Auf der Stirn fühlte sie ein widerliches Ziehen. Feuchtigkeit rann ihr zwischen den Augenbrauen hindurch nach unten und über den Nasenrücken.
»Herzlich willkommen zurück«, hörte sie Krychnaks heisere Stimme.
Sie blinzelte die Schatten ihrer Ohnmacht weg und wollte sich bewegen. Es blieb beim Versuch. Krychnak musste sie mit einem Bannzauber belegt haben. Vermutlich hatte er ihr ein schwarzmagisches Symbol in die Stirn geritzt, das sie lähmte und das dafür gesorgt hatte, dass sie trotz ihrer Bewusstlosigkeit stehen blieb. Auch wenn sie nur über schwache Zauberkräfte verfügte, wusste sie von ihrer Mutter, was mit der entsprechenden Macht alles möglich war.
Mutter!
Tränen schossen ihr in die Augen. Dieses Scheusal mit den überwachsenen Augenhöhlen hatte sie getötet! Weil sie versucht hatte, ihre Tochter zu beschützen! Dafür würde er bezahlen. Irgendwann. Irgendwie.
In der gleichen Sekunde wurde ihr bewusst, dass nichts dergleichen jemals geschehen würde. Kathryne war Krychnaks Gefangene. Sie wusste nicht, was er mit ihr vorhatte, aber sie ging nicht davon aus, dass sie es überleben würde.
Über ihr am Himmel stand ein fast voller bleicher Mond und starrte gleichgültig auf sie herab. In seinem trüben Schein konnte sie die Silhouette des Ben Attow erkennen. Sie waren also immer noch irgendwo in der Nähe ihrer Hütte. Krychnak hatte sie nicht weggebracht. In ein Versteck oder gar - in die Hölle.
Vereinzelt hörte sie Insekten zirpen, brummen und schnarren, doch größtenteils herrschte eine gespenstische Ruhe, als beobachte die Nacht in ehrfurchtsvollem Schweigen, was als Nächstes geschah.
»Ich werde nun den Bann von dir nehmen, kleine Kathryne. Versuch nicht zu fliehen!«
Tatsächlich spürte sie ein Stechen wie von Tausenden Nadeln in den Gliedern, als ob ein eingeschlafenes Bein aufwachte. Nur dass es ihren gesamten Körper überzog. Die Schmerzen waren fürchterlich. Als die Stiche aber endlich zu einem leichten Kribbeln abklangen, beherrschte sie nur noch ein Gedanke. Flucht! Egal, was das Monstrum gesagt hatte! Sie musste von hier verschwinden!
Ohne darüber nachzudenken, zwinkerte sie und stand plötzlich fünf Meter von Krychnak entfernt. Der Blinzelsprung war gelungen! Besser und weiter als sonst! Aber natürlich nicht weit genug, um sie außer Gefahr zu bringen. Ein neuerlicher Sprung schenkte ihr zusätzliche drei Meter.
Sie fühlte Triumph in sich aufsteigen. Noch nie hatte sie es geschafft, zwei Blinzelsprünge hintereinander auszuführen. Mutter wäre stolz auf sie!
Der Gedanke an ihre Mutter brachte sie auf den Boden der Tatsachen
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