0932 - Das 14. Siegel
war Merlin dann nach Caermardhin gelangt. In die Regenerationskammer. Vermutlich hatte Zamorra ihn hergebracht.
Wie er inzwischen wusste, waren seit der Verletzung zwei Jahre vergangen. Eine nennenswerte Heilung war aber nicht eingetreten. Dennoch hatte ihn ein Bote des Wächters der Schicksalswaage aus seinem Schlaf geweckt, weil der Zauberer die Rückkehr des Dämons Svantevit auf die Erde verhindern musste. [4]
Er wusste, dass er nicht mehr in den Heilschlaf zurückkehren konnte. Es war noch so viel zu erledigen - und so wenig Zeit! Was sollte er zuerst tun? Zamorra erzählen, was er über die Weißen Städte wusste? Oder…
Merlin erstarrte!
Das Buch aus Lemuria! An das darin verborgene Wissen und an die Zeitenbrücke hatte er seit Hunderten von Jahren nicht mehr gedacht. Und folglich auch nie mit Professor Zamorra darüber gesprochen.
Das musste er unbedingt nachholen! Ein weiteres der Dinge, die er noch zu erledigen hatte.
Oder sollte er Zamorra nicht mit diesen Informationen behelligen? Voraussichtlich waren sie völlig unnütz. Die Erbfolge war noch immer ein Instrument des Guten. Der Lemurer, der ihm das Buch durch die Zeiten hatte zukommen lassen, hatte eine große Gefahr für die Menschheit gesehen. Doch diese Gefahr hatte Merlin durch die Reinigung der Erbfolge gebannt. Also brauchte Zamorra auch nichts davon wissen.
Um sicher zu gehen, erschuf Merlin eine kraftsparende Inkarnation von sich selbst. Nicht mehr als ein durchscheinender, flackernder Abdruck seines Körpers. Er wollte die Regenerationskammer noch nicht verlassen, deshalb griff er auf diese Möglichkeit zurück.
Er schickte sein Abbild in den Saal des Wissens , in dessen Zentrum über einem Sockel eine riesige Bildkugel schwebte, mit der er jeden Ort dieser Welt und jede Person, die sich auf der Erde befand, beobachten konnte. So erfuhr der alte Magier, dass Rhett noch immer mit seiner Mutter im Château Montagne lebte. Ausgezeichnet! Damit stand fest, dass die Erbfolge tatsächlich noch auf der Seite des Guten kämpfte.
Folglich war es besser, nicht die Pferde scheu zu machen. Er würde Zamorra nichts von dem Buch erzählen. Es gab Wichtigeres, was er dem Meister des Übersinnlichen noch mitteilen musste. Über die Weißen Städte, die Herrscher, den Plan.
(Typisch!, dachte Zamorra. Der alte Zausel liegt im Sterben und überlegt trotzdem noch, welche Informationen er mir vorenthalten kann.)
Und doch fühlte sich Merlin nicht wohl bei dieser Entscheidung! Konnte er sicher sein, dass die Erbfolge nicht doch eines Tages auf die Seite des Bösen kippte? War die Gefahr für die Menschheit tatsächlich ein für alle Mal gebannt?
Nein, Merlin musste auf Nummer sicher gehen!
Noch einmal schickte er sein Abbild los. Aus den Tiefen Caermardhins ließ er sich das Buch bringen und…
(Wieder ein schneller, harter Schnitt! Zamorra hätte heulen können. Immer, wenn es interessant wurde, stieß er auf eine Erinnerungslücke! Oder enthielt Merlin ihm womöglich ausgewählte Teile absichtlich vor? Zuzutrauen war es ihm.)
Es war vollbracht! Er hatte etwas von dem lemurischen Zeitzauber abzweigen und ihn umpolen können. Ohne die alte Zeitenbrücke wesentlich zu schwächen, wies ein kleiner Teil nun in die Zukunft. In Zamorras Zukunft!
Vor dem Magier wirbelte ein Zeitstrudel in blassen Farben. Merlin warf das Buch hinein. Sofort schloss sich der Minihurrikan hinter dem Folianten. Und er würde erst dann wieder erscheinen, falls die Erbfolge jemals böse werden sollte!
Merlins Abbild löste sich auf und der Magier sank erschöpft auf die Regenerationsliege. Er musste ein wenig ausruhen, bevor er sich um alles Weitere kümmerte. Erneut schoss ihm dieser Satz durch den Kopf: So viel zu tun - und so wenig Zeit!
Ruckartig setzte er sich auf. In seinen Augen lag das blanke Entsetzen. Er hatte etwas vergessen!
»Du dummer, alter Narr!«, schalt er sich selbst.
Sollte Zamorra das Buch jemals erhalten, hieß das, dass die Erbfolge böse geworden sein musste! Doch könnte der Professor dann nichts damit anfangen, weil das Buch versiegelt war und Zamorra den Schlüssel nicht hatte!
Er erschuf eine weitere Inkarnation von sich selbst, die er nur mit den nötigsten Erinnerungen ausstattete. Sie schickte er durch den Zeitstrudel dem Buch hinterher. Ihr Auftrag lautete, dann bei Zamorra zu erscheinen, wenn dieser auf die Magie des versiegelten Buchs stieß. Doch ihm fehlte die Kraft, eine menschliche Gestalt durch die Zeiten zu schicken. Deshalb wählte
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