0932 - Grausame Zeit
innen schien alles geschwollen zu sein, und er kühlte mit einem weiteren Schluck.
Daß es so kommen oder auch enden würde, damit hatte er nicht gerechnet. Er überlegte, was zu tun war. Es zählte zunächst, daß er den Verschwundenen fand - nur, wo sollte er anfangen zu suchen?
Die Vorteile lagen allesamt auf Buzeas Seite. Verstecke gab es unzählige für ihn, mehr als Harry lieb sein konnte.
Was blieb? Das Eingeständnis seiner Niederlage, auch den Vorgesetzten gegenüber. Und vielleicht doch der Anruf nach London, daß ihn John Sinclair am nächsten Tag unterstützte…
***
Auch Alfons Buzea fühlte sich nicht gut. Er war mit sich und der Welt unzufrieden. Er hatte den Schnüffler abgeschüttelt, aber er wußte auch, daß dieser Fremde noch nicht erledigt war, daß er alles daransetzen würde, um seine Spur wieder aufzunehmen.
Wer war dieser Mann? Darüber zerbrach sich Buzea den Kopf, als er das Kaufhaus verlassen und Unterschlupf in einem kleinen, halbleeren Café gefunden hatte.
Hier fühlte er sich geborgen. Umgeben vom Holz der alten Tische und Korbstühle, der vergilbten Tapeten mit den ebenfalls vergilbten Drucken an den Wänden, der typischen Geräuschkulisse aus Stimmengemurmel und dem Klappern des Geschirrs.
Buzea hatte sich ein Kännchen Kaffee bestellt. Essen wollte er nichts.
Der brutale Kontakt mit seinem Verfolger war ihm auf den Magen geschlagen. Alkohol hatte er lange nicht mehr zu sich genommen, deshalb wollte er es jetzt mit einem Kirschwasser wagen, das die Serviererin zusammen mit dem Kaffee brachte. Die Frau war blond gefärbt, trug ein enges, schwarzes Kleid, hochgeschlitzt und mit einem ovalen Ausschnitt versehen, in den Buzea so aufdringlich starrte, daß es der Frau schon peinlich war und sie sich schnell wegdrehte.
Er grinste ihr nach, als er das flache Glas mit dem Kirschwasser hob, es zur Hälfte leerte und den Rest dann in die Tasse goß, um sie anschließend mit Kaffee aufzufüllen.
Er nahm auch Zucker. Auf Milch verzichtete er. Während Buzea umrührte und das scharfe Kirschwasser ihn mit Wärme durchflutete, wobei es gleichzeitig auch brannte, dachte er über den Mann aus dem Treppenhaus nach. War es ein Bulle?
Alfons schüttelte den Kopf, um sich eine Antwort zu geben. Nein, kein Bulle, der dachte eher an einen privaten Schnüffler, denn davon gab es sicherlich genug. Aber wer hätte ihm den hinterherschicken und auch bezahlen sollen?
Etwa die Eltern, deren Kinder er in seinen Bann gezogen hatte? Das lag mehr als acht Jahre zurück. Zwar war der Fall nicht vergessen, doch Buzea glaubte nicht daran, daß sich eines der Elternpaare den Tag seiner Entlassung gemerkt hatte.
Nein, dahinter mußte eine andere Personengruppe oder eine Person stecken. Er überlegte, trank, zündete sich eine Zigarette an und ließ den Blick wieder durch das Lokal schweifen.
Gab es noch einen zweiten Verfolger? Unwahrscheinlich war dies sicherlich nicht, denn oft genug arbeiteten die Schnüffler paarweise. Er betrachtete seine Umgebung mit genaueren Blicken, aber beim besten Willen wies nichts auf eine zweite Person hin. Die Frauen und Männer waren eigentlich zu alt, um diesem Beruf nachzugehen. Blieb der eine.
Den Namen kannte er leider nicht. Für wen arbeitete der Mann?
Vielleicht als bezahlter Spitzel für die Bullen oder als verdeckter Ermittler?
Jedenfalls würde dieser Schnüffler die Beschreibung an die Kollegen weitergeben, um eine Fahndung einzulei-. ten.
Dieser Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht, und plötzlich fühlte er sich auf seinem Stuhl wie auf einer heißen Herdplatte. Er mußte die Innenstadt verlassen.
Die Tasse leerte er noch, die Kanne aber ließ er halbvoll, als er aufstand, seine Jacke überzog und einen Geldschein sowie eine Münze auf dem Tisch liegenließ.
Er mußte weg.
Die Bedienung schaute ihm erleichtert nach, als er das kleine Café verließ. Dieser Gast hatte ihr Furcht eingeflößt. Sie sah, wie der Mann kurz vor der Tür stehenblieb, den Kragen hochschob und sich dann davonmachte.
Alfons Buzea lief zur Bushaltestelle. Er hatte Glück, daß er gleich einsteigen konnte. Er wollte zunächst raus aus der Stadt, und dann zu einem anderen, einem ersten Ziel fahren. Als er daran dachte, ging es ihm wieder besser. Seine Augen glänzten. Er wußte, daß ein gewisser Cichon mehrere Tage hintereinander Dienst hatte. Das war so geregelt worden, da übernachtete er auch in einem anderen Takt des Zuchthauses. Sein Pech, daß dieser Dienst in die Zeit fiel,
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