0933 - Die Horror-Mühle
fremdes Geräusch machte sie erneut aufmerksam. Da oben war jemand.
Sie hörte leise Tritte. Da wurden Füße sehr vorsichtig gesetzt, und Helga rechnete damit, daß dieser Unhold plötzlich am oberen Rand der Treppe erscheinen würde. Er brauchte nur nach unten zu sehen, um sie zu entdecken. Das wiederum konnte sie auf keinen Fall riskieren. Sie mußte sich einfach zurückziehen, obwohl sie die Mühle selbst nicht verlassen wollte. Ein Königreich für ein Versteck. In die Erde kriechen oder wie auch immer. Aber das würde ihr nicht gelingen, so mußte sie es anders versuchen.
Ihr fiel etwas ein.
Sie hatte auf dem Weg zur Treppe die Umrisse einer alten Truhe gesehen. In der Erinnerung kam sie ihr groß genug vor, um als ein Versteck dienen zu können.
Helga Stolze zögerte nicht. Das Gefühl sagte ihr, daß Richtige zu tun, wenn sie sich in der Truhe verbarg, und so leise wie möglich ging sie zurück.
Sie tauchte unter, denn in relativer Türnähe war die graue Dunkelheit dichter.
Neben der Truhe blieb sie für einen Moment stehen. Sie lauschte auch nicht mehr in die Höhe, ob der Verfolger bereits die Treppe erreicht hatte, jetzt ging es um sie.
Wenn der Deckel geschlossen war, blieb ihr nur mehr die Flucht, weil sie nicht glaubte, eine Chance gegen den Unhold zu haben. Mit beiden Händen faßte sie zu, ihr Gesicht verzerrte sich, und einen Augenblick später atmete sie auf, denn der Deckel ließ sich in die Höhe schieben, und unter ihr tat sich das Loch der Truhe auf. Es war leer!
Beim Einsteigen in ihr Versteck hielt sie den Deckel fest. Kaum spürte sie den Boden der Truhe unter sich, duckte sie sich.
Den Deckel stemmte Helga noch immer ab. Aber er senkte sich, als sie den Arm anzog. Dann war er geschlossen. Die Frau hockte geduckt in ihrem Versteck. Sie konnte nicht hochkommen, schon bei der geringsten Bewegung stieß sie gegen den Deckel. Völlige Finsternis umgab sie.
Von einer normalen Luft konnte man in ihrer Umgebung nicht sprechen.
Was sie da einatmen mußte, war ein alter Gestank. Einen Inhalt hatte sie in der Truhe noch nicht ertastet. Nicht mal alte Lumpen. Der Boden war leicht feucht, das war deutlich zu spüren. Um Luft zu sparen, atmete sie flach und nur durch die Nase. Es fiel ihr schwer, sich ruhig zu verhalten.
Das Wissen darum, wo sie sich verborgen hielt, machte ihr schwer zu schaffen. Platzangst überkam die Frau außerdem.
Auch dachte sie an eine zweite Gefahr.
Es war längst nicht sicher, daß der andere sie nicht gesehen hatte. Wäre er denn sonst auf die Treppe zugegangen? Bestimmt nicht. Es konnte durchaus sein, daß er Bescheid wußte, und so wartete Helga mit klopfendem Herzen auf ihn.
Noch war es still in ihrer Enge, aber diese Stille hielt nicht sehr lange an, denn sie wurde von außen durchbrochen, als sich der Mann näherte, der bereits die Treppe hinter sich gelassen hatte.
Er kam nicht schnell, aber mit einer schon tödlichen Regelmäßigkeit näher. Helga hörte wie er die Füße aufsetzte. Der Holzboden leitete den Schall weiter.
Das konnte sie sich nicht vorstellen. Zudem war sie übernervös. Ihr Herz schlug heftiger als sonst. In der Truhe wurde es von Sekunde zu Sekunde wärmer. Es gab keine Stelle mehr an ihrem Körper, wo nicht der kalte Schweiß lag.
Frau Stolze mußte geduckt hocken, aber sie hielt den Kopf leicht zur linken Seite gedreht und schielte dabei in die Höhe, als wollte sie dort am unteren Rand des Deckels etwas Besonderes entdecken.
Die Laufgeräusche blieben.
Sehr gut waren sie zu verfolgen. Durch die Seitenwände der Truhe bekam sie alles mit, auch die lauten Atemgeräusche.
Er war sehr nahe.
Noch näher. Dann Stille.
Jetzt wurden die Sekunden zur Qual. Helga Stolze hockte in ihrem Gefängnis und wagte nicht mal, den Mund zu öffnen, um tief einzuatmen.
Was würde der andere tun? Weitergehen? Vielleicht die Tür öffnen, um nach draußen zu schauen? Und wo blieben John Sinclair und sein Verbündeter?
Nichts geschah. Helga Stolze war und blieb auch weiterhin völlig auf sich allein gestellt. Lange würde sie es in dieser Truhe nicht mehr aushalten können. Die Luft verbrauchte sich einfach zu schnell, und sie konnte sich einen elendigen Erstickungstod nicht vorstellen. Sie würde die Truhe verlassen, solange sie noch bei Kräften war.
Ein anderes Geräusch weckte sie aus ihren Gedanken. Und es hörte sich in ihrem engen Gefängnis furchtbar an, denn etwas schabte an dem Truhendeckel entlang. Als hätte jemand ein Messer angesetzt
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