0935 - Tochter der Dunkelheit
konnte. Jedes Wort stimmte, und sie würde alles dafür geben, das, was er angesprochen hatte, rückgängig zu machen.
Vassago sagte kein Wort des Abschieds, aber allein am verstärkt auftretenden Schwefelgeruch erkannte Carrie, dass der Dämon sich in den Teleport versetzt und aus der Höhle abgesetzt hatte.
»Hau nur ab, du Dreckskerl«, flüsterte sie verbittert. »In diesem Punkt sind Männer alle gleich, ob menschlich oder dämonisch.«
Sie wusste, dass sie damit unrecht hatte, aber wer wollte ihr die Verbitterung verdenken? Und Schimpfen war die einzige Möglichkeit für Carrie, mit dem Ärger umzugehen.
»Gib mir mein Augenlicht zurück, du Arschloch! Und lass mich endlich frei! Ich habe meinen Teil unseres Vertrags erfüllt!«, schrie sie so laut sie konnte, aber nur das Echo der Höhlenwände antwortete ihr. Das und das Echo ihrer Gedanken.
Letzteres war weitaus schlimmer…
Als Schutz vor dem Echo konnte sie sich die Ohren zuhalten, aber die eigenen Gedanken konnte sie nicht einfach so ausknipsen wie bei einem Lichtschalter.
Sie barg den Kopf in beiden verschränkten Armen und zuckte eine Zeit lang hin und her. Sie schluchzte, als würde sie weinen, dabei handelte es sich nur um eine trockene Abart davon. Ohne Tränendrüsen ging das einfach nicht.
»Das ist genau so sinnlos wie damals«, erinnerte sie sich an den schlimmsten Tag ihres Lebens. Kassandra war erst einige Monate alt gewesen, als Carrie vollständig ausrastete. Sie konnte im Nachhinein nicht mehr genau festmachen, welche Begebenheit zu ihrem Wutanfall geführt hatte. Schon am frühen Morgen hatte sie sich schlecht gefühlt und die ganze Zeit über gegen Vassago gelästert. Der Dämon gab sich unbeeindruckt von Carries Redeschwall, aber nachdem sie mitten in eine Handlung eingegriffen hatte, bei der Vassago Magie benutzte, reichte es ihm.
»Tu das nie wieder, sonst bestrafe ich dich!«, hatte er ihr gedroht, nachdem er die Handlung hatte unterbrechen müssen, damit sich seine Magie nicht gegen ihn selbst richtete. »Es würde dir äußerst schlecht bekommen!«
»Ach, und was willst du mir dann antun?«, hatte sie gegiftet, die Hände in die Hüften gestemmt. »Du weißt genau, dass mein Leben sowieso vorbei ist, also was will mein kleiner Dämon gegen mich unternehmen? Angst vor dem Sterben habe ich nicht - nicht mehr, und die dämliche Drohung mit den Seelenhaldenteufeln kannst du dir sonst irgendwo hin stecken!«
Vassago blickte sie unheildrohend an und schüttelte das mächtige gehörnte Haupt.
»Hör auf, Carrie. Lass es nicht darauf ankommen«, warnte er sie.
»Ich kann dich nicht mehr sehen!«, brüllte seine Gefangene. »Dich nicht und diese Scheißhölle schon gar nicht. Ich will euch alle nicht mehr sehen! Nie mehr!«
»Carrie, lass es sein«, versuchte Vassago sie zu beruhigen.
»Carrie, lass es sein«, äffte sie ihn nach. »Was soll ich sein lassen? Das Unzufriedensein? Ich halte es nicht mehr aus! Ich halte das alles hier nicht mehr aus. Ich will dich nicht mehr sehen! Ich will diese Höhle nicht mehr sehen. Unternimm doch etwas dagegen, du winziger Abklatsch eines Dämons!«
»Es reicht, Carrie! Ich lasse mich nicht weiter von dir beleidigen«, warnte Vassago ein letztes Mal.
»Und was machst du dann?« Carrie zitterte vor Angst und Zorn. Sie hoffte, dass er sie töten würde, wenn sie ihn nur genug reizte. »Willst du mir die Zunge herausreißen oder den Mund versiegeln?«
Vassago presste die Lippen aufeinander. Sein Unheil verkündender Blick ging Carrie durch und durch. Gänsehaut überzog ihren Rücken, obwohl die Temperatur in Vassagos Höhle mindestens 40 Grad Celsius betrug.
»Ich werde deinen innigsten Wunsch erfüllen«, verriet der Dämon, »auch wenn du mich danach verdammst.«
In Carries Augen blitzte es auf. Sie hatte ihn verstanden.
»Du…« Mehr brachte sie mit krächzender Stimme nicht hervor.
»Du wirst mich nie mehr wieder sehen«, sagte Vassago. Carrie riss die Augen erschrocken auf, sie schüttelte den Kopf.
»Das kannst du mir nicht antun«, hauchte sie erschüttert. Mit einem Mal hatte alle Kraft ihren Körper verlassen. »Alles, aber nicht das …«
»Es war dein Wunsch«, erinnerte er sie.
Sie blickte in seine feurigen, schwarz-rot glänzenden Augen und wusste, dass sie das Letzte waren, was sie im Leben sehen würde.
Und dann öffnete er ihr die Augen…
***
Kassandra saß auf einem Felsen, der sich hoch über den Tümpeln der brennenden Seelen erhob. Der Felsbrocken war ihr
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