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0936 - Schattentheater

0936 - Schattentheater

Titel: 0936 - Schattentheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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darin schwammen wie die gepeinigten Seelen in Lucifuge Rofocales ehemaligem Badesee, selbst die Amsel, die jetzt am Ufer einer winzigen Steininsel im Teich hockte und sich hier und da eine Insektenlarve aus dem flachen Teil des Wassers herauspickte, erinnerte an die Dämonen, die die in dem See gefangenen Seelen, die sich nicht daraus befreien konnten, quälten.
    Für einen Moment schien die Felswand auf Nicole zuzustürzen, als habe sie Flügel bekommen und flöge mit vollem Schwung über den Bach, den Teich, die schmale Landbrücke auf den moosbewachsenen Felsen zu, über den das Wasser unablässig herabrauschte. Plötzlich sah die Felswand aus, als habe Nicole sie durch ein Fernglas betrachtete und dicht herangezoomt, sie schien sich direkt davor zu befinden und sah an einer Stelle, an der die Gischt des Wasserfalls einen Regenbogen bildete, ein Gesicht, das ihr vertraut vorkam. Es schimmerte schwarzrot und hatte einen goldenen Fleck vor dem Bauch.
    Eine Maneki Neko? Eine Winkekatze? Hier?
    Mit einem Schreckenslaut fuhr sie zurück und wäre beinahe über einen winzigen Azaleenbusch gestolpert. Nur mit Mühe behielt sie das Gleichgewicht und starrte wieder entsetzt auf die Miniaturlandschaft. Sie versuchte, den Punkt neben dem Wasserfall wiederzufinden, an dem sie geglaubt hatte, die Katze zu sehen.
    Es gelang ihr nicht. Nichts an der Felswand schien außergewöhnlich oder merkwürdig.
    Nicole dachte sofort an die wahre Maneki Neko, der sie vor Jahren in Wien begegnet war. Das seltsame, überaus machtvolle Wesen hatte nicht nur den Pestkelch der Labartu neutralisiert und dadurch entscheidend geholfen, die Hexe Theresia Maria von Waldstein zu besiegen, sie hatte auch eine eigenartige Beziehung zu Merlins Stern , den sie Zauberauge nannte. [1] Und sie hatte gesagt, dass ihr Nicole sympathisch war, obwohl ihr die Welt der Menschen nicht am Herzen lag. Ob es damit zusammenhing, dass auch Nicole über das FLAMMENSCHWERT eine tiefe Beziehung zu dem Amulett hatte? Waren sie so etwas wie »Leidensgenossinnen«, die Winkende Katze und die Dämonenjägerin?
    Sie schloss erneut die Augen und versuchte, ihren stoßweisen Atem und ihr Herzklopfen zu beruhigen: Du siehst Gespenster. Diese winkenden Katzen sind als nationale Glücksbringer des Landes schließlich in jedem Laden und auf jedem Klo und wasweißichnichtsonstwo zu finden, in Weiß und Rot und Schwarz und Himmellilablassblau. Das Land der aufgehenden Sonne scheint dir irgendwie trotz allem Tee und aller Baderei nicht gut zu bekommen! , dachte sie ärgerlich über sich selbst. Doch der Zweifel blieb: War das wieder so ein Hinweis gewesen? Zum Teufel auch, worauf eigentlich? Sie wurde noch ganz verrückt, jetzt sah sie schon in der Gischt eines Wasserfalls einen Hinweis auf irgendwas!
    Sie packte sich mit beiden Händen in die derzeit kurzen, dunklen Haare, riss daran und gab einen unterdrückten, wütenden Laut von sich. Der Schmerz brachte sie wieder zu sich. Beinahe hätte sie über sich selbst gelacht.
    Dann atmete sie noch einmal fest ein und aus und machte sich vorsichtig, um nichts Wichtiges zu zertreten, in Richtung der kleinen Landbrücke auf. Von dort hatte sie einen besseren Blick auf die Felswand.
    Doch als sie auf der Sandbank vor dem Wasserfall stand und auf die Felsen vor sich starrte, war dort nichts zu entdecken. Wohl war die Granitwand nicht völlig glatt, aber es waren doch auch keine Nischen zu sehen, auf denen man einen Gegenstand hätte abstellen können.
    Nicole starrte ratlos auf die Wand und dann wieder auf die kleine Landbrücke, auf der sie stand. Dachte ich's mir doch. Das ist alles nichts als Paranoia.
    »Madame, ich freue mich, dass Ihnen mein Garten so gut gefällt«, hörte sie eine Stimme in nicht allzu weiter Entfernung. Sie fuhr herum.
    »Oh! Ieyasu-san!« Für einen Moment suchte sie nach Worten. »Ja, ich hoffe, Sie sind mir nicht böse, dass ich bei diesem schönen Wetter lieber noch einmal einen Blick auf Ihren Garten werfen wollte, anstatt Ihre Kunst zu bewundern!«
    Ieyasu war, Minamoto im Schlepptau, neben sie getreten und sah sie an. »Madame, da ich den Garten entworfen habe, bin ich durchaus geschmeichelt. Ich betrachte mich sowohl als Gartenkünstler als auch als Schauspieler. - Wie ich sehe, haben Sie das Farbenspiel der Wassergischt dort bewundert.«
    Ein wenig verwirrt über seinen forschen Ton - der so gar nichts mit dem etwas furchtsamen, betroffenen gemein hatte, den der Theaterdirektor gestern noch an sich gehabt

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