0937 - Belials Mordhaus
Finsternis der Umgebung. Es sah aus, als wäre es aufgesaugt worden, nur die Augen traten dabei überdeutlich hervor. Sie erinnerten an zwei dunkle, kleine Tümpel, deren Oberfläche wie geschliffen wirkte.
Jane und Glenda wußten nicht, ob es die Augen eines Menschen, eines Engels oder eines Dämons waren. Wahrscheinlich spielten bei ihm alle drei Begriffe eine Rolle.
Der Kopf schwang noch immer hin und her. Er wurde schnell, seine Gesichtszüge verschwammen bei zu heftigen Bewegungen und klarten wieder auf, als die Bewegung langsamer wurde.
Die Frauen wollten zurückweichen, denn hin und wieder kam ihnen der Kopf sehr nahe, aber sie standen unter dem Bann des Lügenengels, der sie nicht aus seinem Blick ließ.
Und dann verschwand der Kopf.
Eine blitzschnelle und kreisförmige Bewegung war dem vorausgegangen. Der Schädel löste sich aus der Klaue. Dicht vor den Gesichtern der beiden Frauen wischte er entlang und jagte in die Finsternis hinein, die ihn wie ein alles umfassendes Maul verschluckte.
Weg.
Es gab ihn nicht mehr.
Kein Sinclair-Gesicht. Keine Klaue, die sich in dem blutigen Haarschopf festgekrallt hatte. Dieser Schädel war für beide Frauen nur mehr Erinnerung, allerdings eine, die wohl nicht aus ihren Köpfen gelöscht werden konnte.
Auch weiterhin befanden sie sich unter Belials Kontrolle. Seine Welt war auch die ihre, und Belial war es, der die kurze Entfernung zu ihnen überbrückte und sich näherte.
Sie waren sehr gut für ihn zu sehen, und auch die Frauen erkannten ihn jetzt besser. Als einer der ersten Engel war er der Legende nach vom Himmel in die Hölle gestürzt, die ihn nicht vernichtet hatte. Er war aus den Tiefen der Verdammnis zurückgekehrt, um die Welt mit seinem Lügengespinst zu überdecken.
Vor ihnen blieb er stehen. So dicht, daß sie ihn riechen konnten. Es drang kein Modergeruch in ihre Nasen. Es roch nicht nach Tod und Verwesung, sondern ganz anders. Irgendwie auch klarer, schärfer. Beide begriffen den Geruch nicht, aber beide sahen die Arme, die sich ihnen entgegenstreckten.
Von zwei Seiten näherten sie sich. Nicht schnell, sondern sehr gezielt, als würde ein Plan ablaufen.
Dann packte der Lügenengel zu.
Es erwischte Jane und Glenda gleichzeitig.
Plötzlich wurden sie in die Höhe gerissen, noch immer im harten Griff Belials.
Keine Chance zur Befreiung.
Sie flogen davon.
Hinein ins Dunkel, hinein in die Unendlichkeit dieser Schattenwelt zwischen Diesseits und Jenseits…
***
Das Telefon hatte sich gemeldet!
Ein normaler Vorgang. Für uns aber hatte er etwas Besonderes, denn der Klang hatte uns hervorgerissen wie aus einem tiefen Traum. Zwar hatten wir uns in der Realität befunden, aber in diesem Augenblick schien sich eine zweite darübergeschoben zu haben.
Wir schauten uns nur an, doch keiner von uns traf Anstalten, den Hörer abzunehmen.
Geh du! sagte Shaos Blick, den sie mir zuwarf, aber ich schüttelte den Kopf und sah Suko an.
Der atmete bedeutungsschwer durch die Nase. Er kämpfte mit sich, während der Apparat noch immer läutete. Mühsam stand Suko auf. »Es ist unsere Wohnung«, sagte er zu Shao gewandt, »also sollten wir abheben.«
»Wer kann es denn sein?«
Suko hob nur die Schultern, denn etwas anderes blieb ihm nicht übrig. »Jane oder Glenda?«
»Das kann man nur hoffen.«
»Glaube ich nicht«, murmelte ich leise vor mich hin, aber Shao hatte die Worte aufgeschnappt.
»Warum denn nicht?«
»Feeling, Shao. Es wird das eintreten, wovon wir zuletzt gesprochen haben, denn es geht weiter. Belial hat seine Pause beendet. Er will und wird das Spiel fortsetzen.«
Suko hatte zugehört. Seine Hand lag bereits auf dem Hörer. Er hob erst ab, als ich ihm zunickte.
»Ja«, meldete er sich.
»Suko?« Es war eine Anruferin, die gesprochen hatte. Die Stimme klang allerdings so schrill, daß sie keiner von uns erkannt hatte, obwohl der Name Suko relativ vertraut von ihr ausgesprochen wurde.
»Ja, ich bin es.«
»Gut.«
»Aber wer sind Sie?«
»Gib mir John, wenn er bei dir ist. Ich habe es bei ihm versucht, auch im Büro.«
Jane oder Glenda waren es nicht, das hatten wir schon herausgehört. Aber wer konnte dann…?
Meine Gedanken und Überlegungen drückte ich zurück, denn an Sukos Gesichtsausdruck las ich ab, daß es ihm gelungen war, die Stimme zu identifizieren. Er wußte jetzt, wer angerufen hatte, winkte mir mit der freien Hand zu, damit ich mich erheben sollte, was ich auch tat.
Ich ging meinem Freund mit langsamen Schritten
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