0938 - Die Blutgasse
Gast sagen, überlegte es sich dann anders und schwieg. Es war auch besser so.
***
Der Mann mit der Glatze verzog das Gesicht, so daß es aussah, als sollte der Mond die übrigen Gestirne angrinsen. Aber es war kein Lächeln, noch mal ein Grinsen, denn Toby Reagans Gesicht entstellte sich vor Wut, Haß und Zorn. Er hatte nicht vergessen, was in diesem Park passiert war, als er und Pete ein neues Opfer holen sollten. Es war ihnen nicht gelungen, zum erstenmal nicht nach all der Zeit. Vergebens, ein Schuß in den Ofen, und das konnte der kleine, gedrungene Mann in der braunen Lederjacke nicht verkraften, denn er war es gewohnt, daß immer alles glatt über die Bühne lief.
Bis auf heute.
Bis auf die Minute, wo er jemanden entdeckt hatte, der sich nicht vor einem Vampir fürchtete.
Zufall oder Wissen?
Darüber machte sich Reagan Gedanken. Es konnte natürlich Zufall gewesen sein, doch als er sich in die Erinnerung zurückholte, wie der Mann im Licht gestanden und dabei keine Angst gezeigt hatte, das war schon außergewöhnlich gewesen.
Toby hatte rasch handeln müssen.
Es war ihm nichts anderes übriggeblieben, als den Vampir regelrecht platt zu machen. Umfahren und fertig, alles andere spielte bei ihm keine Rolle.
Aber der war schon umgefallen. Von einer Kugel getroffen. Dieser blonde Mann hatte sich eiskalt verhalten und reagiert, wie auf einem Schießstand stehend.
Er hatte einen Blutsauger getötet!
Reagan knirschte mit den Backenzähnen, als er daran dachte. Das wollte ihm einfach nicht in den Kopf. Normalerweise war es überhaupt nicht möglich, einen Vampir niederzuschießen. Einfach so. Zielen, abdrücken, treffen und fertig.
Nein, da mußte etwas anderes dahinterstecken, und er glaubte fest daran, daß es einzig und allein an dem Schützen lag. Er mußte darauf vorbereitet gewesen sein, einen Vampir zu erwischen. Wenn das stimmte, war er nicht irgendeiner, sondern ein besonderer, wie man auch immer dies auslegen mochte.
Vor einer Ampel stoppte er. Das Licht brannte wieder normal. Es war alles okay. Die dunkel gestrichenen Scheiben erregten schon längst keinen Verdacht mehr, denn durch London fuhren zahlreiche Fahrzeuge, deren Scheiben abgedunkelt worden waren. Trotzdem wollte er so rasch wie möglich sein Ziel erreichen. Reagan ging einfach davon aus, daß der Todesschütze gute Beziehungen zur Polizei unterhielt oder gar selbst zu den Bullen gehörte.
Wenn ja, standen ihm zahlreiche Möglichkeiten der Fahndung zur Verfügung. Zwar glaubte Toby daran, daß der andere sein Auto nicht richtig erkannt hatte, aber wenn die Bullen einmal loslegten, dann griffen sie hart durch und stoppten auch Fahrzeuge, die nur eine gewisse Ähnlichkeit mit dem gesuchten Wagen aufwiesen.
Er stand auf der Mittelspur. Rechts von ihm saß in einem kleinen BMW eine Frau, die telefonierte und dabei rauchte. Links stand ein Ford Galaxy, auf dessen Seite mit gelber Farbe in Großbuchstaben gepinselt war »MC GRATH’S HOT DOGS ARE THE BEST«.
Toby hatte noch keinen probiert. Er haßte dieses Zeug. Er aß lieber Pizza.
Toby trommelte auf den Lenkradring. Unter der Lederjacke trug er ein blaugraues T-Shirt. Es zeigte dunkle Schweißflecken und klebte in den Achselhöhlen fest. Mit einem Schießeisen war Toby nicht bewaffnet, doch auf den Totschläger hatte er nicht verzichtet. Mit diesem Instrument konnte Toby gut umgehen, das hatte schon mancher Schädel zu spüren bekommen. Aber auch er hatte einstecken müssen. Seine Nase war nicht mehr das, was sie einmal gewesen war. Dicht unterhalb der Augenbrauen war sie gesplittert, und die Mulde würde er noch mit in den Sarg nehmen. Die Wangen ließen ihn etwas pausbäckig aussehen, hinzu kam der kleine, nach oben gezogene Mund, aber diese Harmlosigkeit täuschte. Schon die kalten Fischaugen sagten genug über den Mann.
Toby Reagan war der perfekte Erfüllungsgehilfe. Er tat immer genau das, was ihm aufgetragen wurde, und dabei stellte er auch keine großen Fragen. Er erledigte den Job und damit basta.
Die Ampelfarbe zeigte Grün, und Toby war der erste, der startete. Verfolgt war er bisher nicht geworden, das hatte er schon festgestellt, und es blieb auch in den nächsten Minuten so, wie er immer wieder durch Blicke in die Spiegel feststellte. Kein anderes Fahrzeug hatte sich an seine Reifen gehängt.
Gut zu wissen.
Zudem gab ihm das auch eine Sicherheit zurück, die er im Park verloren hatte.
Er rollte hinein in eine Gegend, die zu Soho gehörte und noch nicht saniert
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