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0938 - Die Blutgasse

0938 - Die Blutgasse

Titel: 0938 - Die Blutgasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gesteckt werden. Ich will nur wissen, ob es eventuell einen Zeugen gegeben hat. Das ist, alles.«
    »Bei der Entführung, nicht?«
    »Ja.«
    Ed überlegte noch. Bill verdrehte die Augen ebenso wie ich, aber wir ließen ihn in Ruhe. Es tat uns auch gut, denn so konnten wir ein wenig entspannen.
    »Also…«
    Ed atmete seufzend. »Sie dürfen mich auf keinen Fall verraten. Ich weiß auch nicht, ob das stimmt. Man erzählt es sich eben.«
    »Wie heißt der Mann?«
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist kein Mann.«
    »Also eine Frau.«
    »Ja.«
    »Ihr Name?«
    Ed hob die Schultern. »Den kenne ich nicht, aber ihren Spitznamen weiß ich.«
    »Dann sagen Sie ihn.«
    Er zögerte etwas, als würde er sich schämen. »Apfel-Anni«, preßte er dann hervor.
    Bill und ich schauten uns an. Mein Freund grinste, während ich mich räusperte. »Apfel-Anni?«
    »Ja.«
    »Wieso das denn?« wollte Bill wissen.
    »Sie hat es mir mal erzählt, als wir allein waren. Früher, als sie beinahe noch ein Kind gewesen ist, da hat sie immer Äpfel gestohlen und diese dann verkauft. Wie das so ist im Leben, sie geriet auf die schiefe Bahn und landete schließlich in der Gosse. Das Stehlen der Äpfel hat sie nie vergessen, das macht sie auch heute noch und versucht, dann das Obst zu verkaufen. Deshalb ist es auch bei dem Namen geblieben. Aber sie ist harmlos.«
    »Was meinen Sie damit?« fragte ich.
    »Ganz einfach. Apfel-Anni hat einen geistigen Defekt. Da muß in ihrer Kindheit in Germany irgend etwas passiert sein, vielleicht ist sie mal vom Baum gefallen. Jedenfalls ist sie nicht ganz richtig im Kopf. Aber sie ist nicht gefährlich.«
    »Und wie alt ist sie jetzt?«
    »Keine Ahnung, Mr. Sinclair. Man kann sie schwer schätzen. Das Leben hat sie gezeichnet. Vielleicht vierzig oder älter.« Er hob die Schultern.
    »Kann auch jünger sein. Ich weiß es nicht.«
    »Spielt auch keine Rolle«, sagte ich. »Aber eine andere Frage hätte ich schon. Wo können wir diese Apfel-Anni denn finden? Hat sie einen bestimmten Platz, wo sie sich immer aufhält? Ist sie mit Frauen zusammen oder mit Männern?«
    »Im Sommer ist sie immer am Markt zu finden. Da holt sie dann auch die Äpfel. Im Winter, auch jetzt schon, soll sie immer bei der Heilsarmee leben und arbeiten. Sie putzt dort. Dafür erhält sie Unterkunft und Essen.«
    »Das ist was wert«, sagte Bill. »Auch die Auskunft. Was ist mit dir, John? Bist du darüber informiert, wo wir suchen müssen? Soviel ich weiß, gibt es hier in London mehrere Heime der Heilsarmee.«
    »Das in Soho«, sagte Ed Moss.
    Ich lächelte. »Gut, das ist in meiner Nähe.« Ich schaute auf die Uhr. »Wir könnten Sie in dieser Nacht noch besuchen. Wie ich weiß, hat die Heilsarmee Tag und Nacht geöffnet.«
    »Einverstanden«, sagte Bill. Dann lächelte er Ed Moss zu, der ein trauriges Gesicht zog. »Keine Sorge, Ed, auch für Sie werden wir noch einen Platz finden. Sie können mit uns fahren und bei der Heilsarmee bleiben. Dafür werden wir sorgen. Außerdem sind Sie für uns so etwas wie ein Eisbrecher, was Apfel-Anni angeht.«
    Der Obdachlose überlegte nicht lange. »Das wäre eine Möglichkeit. Vielleicht kann ich mich dort auch nützlich machen. Mal schauen, ob sie einen Job haben.«
    »Welchen Beruf hatten Sie denn früher?« erkundigte ich mich.
    »Ob Sie es glauben oder nicht, aber ich habe mal an der Börse gearbeitet, als Broker. Ich verdiente gut, wurde leichtsinnig, und das hat mir das Genick gebrochen. Ich einer Nacht habe ich alles verloren und noch Schulden am Hals gehabt.« Er hob die Schultern, griff nach seinem Glas und sagte: »Ich trinke darauf, daß ich zumindest mein Leben gerettet habe. Und ich bin auch den Behörden entwischt, die mir zuerst den Prozeß machen wollten, aber in dieser entscheidenden Nacht sind noch mehr Fische ans Trockene geschwemmt worden, und das waren im Vergleich zu mir Haie.«
    »Glauben Sie denn, daß Sie es schaffen, sich wieder zu fangen?« fragte Bill.
    »Keine Ahnung.«
    »Jung genug sind Sie.«
    »Ja.« Er grinste scharf und bitter, als er den Reporter anschaute. »Wer nimmt mich noch? In meiner Branche kann ich nichts mehr reißen. Und etwas anderes habe ich nicht gelernt.« Er winkte ab. »Na ja, ist auch egal. Ich habe für die guten Jahre bezahlt, scheint irgendwie gerecht zu sein.« Er sprach noch weiter, was ich nicht mehr hörte, denn ich war aufgestanden und zur Theke gegangen, wo ich die Rechnung beglich.
    Der Wirt schaute mich an, als wollte er etwas über unseren

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