0938 - Die Blutgasse
Laut gewesen war.
So dumpf, das konnte nur bedeuten, daß jemand gegen die Tür gehämmert hatte.
Nicht gegen die Wohnungstür, sondern gegen die, hinter der sich die Gefangenen befanden.
Sie wollten raus. Sie waren wach geworden. Wenn das stimmt, so dachte Toby, befinde ich mich in einer beschissenen Lage. Er wußte nicht, was er tun sollte. Rauslassen? Nein, auf keinen Fall. Diese Penner wurden noch gebraucht. Wenn er nur irgend etwas in dieser Richtung tat, würde ihm ein anderer den Hals umdrehen.
Er befand sich in einer Zwickmühle. Seine Furcht steigerte sich. Der Schweiß klebte auf seinem Gesicht. Der Körper schien plötzlich zu dampfen, die Kleidung war feucht geworden, und sein Herz schlug immer schneller.
Er verließ den Raum und wäre am liebsten bis zur Wohnungstür gerannt, um diese Bude zu verlassen. Das aber traute er sich nicht. Toby mußte einfach bleiben und der Gefahr ins Auge sehen, die eigentlich noch so lange keine war, bis die anderen es nicht geschafft hatten, sich aus dem Zimmer zu befreien.
Wie ein Dieb schlich Reagan in den Flur hinein, den Blick auf die Tür gerichtet, hinter der sich die Männer befanden. In der Düsternis sah er auch den gläsernen Spion, ein ins Holz gedrücktes, unheimliches Auge.
Toby malte sich aus, daß ihm etwas Schreckliches bevorstand. Auf der einen Seite fürchtete er sich davor, auf der anderen aber wollte er es genau wissen und trat deshalb an die Tür und damit auch dicht an den Spion heran, durch den er blicken wollte.
Reagan zuckte zurück, als er den Schlag hörte, der die Tür von innen getroffen hatte. Dieser Hieb war nicht zu unterschätzen gewesen, denn er hatte genau gesehen, wie die Tür vibrierte.
Er zuckte wieder zurück.
Der nächste Schlag erwischte die Tür. Noch härter, und diesmal knirschte sie sogar.
Toby überwand seinen Schreck. Er ging wieder vor und warf endlich einen Blick durch den Spion.
Seine Augen konnten sich nicht mehr weiten. Das Erstaunen und das Entsetzen hatten ihn atemlos gemacht, denn was er sah, war für ihn wie ein Alptraum, und er mußte zugleich zugeben, wie sehr er sich bei seiner Ankunft geirrt hatte.
Bein ersten Hineinschauen hatten die Männer noch auf dem Boden gelegen.
Das war jetzt nicht mehr der Fall. Sie waren auf die Beine gekommen, sie hatten Kraft gesammelt, um sich gegen die Tür zu werfen. Das alles hätte ihn nicht mal gestört.
Schlimm war die Veränderung, die er gesehen hatte, denn sie alle hielten ihre Mäuler geöffnet, und bei allen schauten die spitzen Vampirzähne hervor…
***
Damit kam Toby Reagan nicht mehr zurecht. Anderen Menschen wäre es ebenso ergangen, da war er keine Ausnahme. Nur hielt sich bei ihm das Entsetzen einigermaßen in Grenzen. Er wollte nicht mehr hineinschauen, löste sich von der Tür und taumelte zurück, bis die Wand ihn letztendlich stoppte.
Auch sein Mund stand offen, und aus diesem Oval drangen würgende Laute hervor. Er war nicht in der Lage, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Das Bild, das er jenseits der Tür gesehen hatte, ging ihm einfach nicht aus dem Kopf.
Es war da, verschwand zwar für kurze Zeit, aber es kehrte immer wieder zurück und gewann dabei jedesmal an Schärfe.
Sie waren alle aufgestanden, sogar der Kerl mit der Krücke. Sie waren unruhig geworden, sie alle hatten den starren Blick gehabt, und bei allen waren die verdammten Zähne aus dem Oberkiefer gewachsen.
Also hatte sie jemand zu Blutsaugern gemacht.
Das ließ nur einen Schluß zu: ER war bereits hiergewesen und hatte seine grausamen Akzente gesetzt.
ER hielt alles unter Kontrolle. Diese Tatsache sorgte bei Toby Reagan für einen neuen Stoß an Furcht, der ihn leicht schwanken ließ.
Er sah nichts mehr, für wenige Sekunden wallte ein roter Schleier vor seinen Augen, und er schnappte nach Luft, wobei die Ohren von dumpfen Geräuschen gepeinigt wurden. Toby dachte an die Echos seiner eigenen Herzschläge, das aber stimmte nicht. Es waren andere Laute, härter und dumpfer. Nicht von innen, sondern von außen kommend.
Noch immer drückte er sich gegen die Wand und war dabei, tief Luft zu holen. Es mußte ihm einfach gelingen, sich zu beruhigen und wieder normal zu denken.
Das aber brachte er nicht fertig. Alles war anders geworden. In seinem Kopf tanzten die Gedanken. Der Flur war zu einem schaukelnden Tunnel geworden, der irgendwo in der tiefschwarzen Finsternis einer höllischen Welt endete.
Toby Reagan schaffte es, wieder klarer zu sehen. Die Tür lag genau in
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