0939 - Wenn der Satan tötet...
Paters befand, wenn er richtig überlegte. Sicherlich wußte er das, und er hatte sich deshalb mit dem ehemaligen Bischof in Verbindung gesetzt, um die Dinge regeln zu können.
Falls es überhaupt noch etwas zu regeln gab und dazu nicht schon zu spät war.
»Zu spät - zu spät«, dachte der alte Mann und machte sich auf den kurzen Weg zu seinem Bett. Er mußte sich jetzt einfach hinlegen. Er würde es nicht schaffen, sich an seinen Schreibtisch zu setzten und einfach nur abzuwarten.
Seine Schuhe schleiften über den Boden. Die Arme hielt er ausgestreckt, als suchten die Hände Seile an den Seiten, wo sie sich festhalten konnten. Es wurde immer schlimmer. Er wollte den Rest seines Lebens auch nicht mehr ohne Stock gehen, doch wie lange würde dieser Rest denn noch andauern? Er war nicht mal sicher, die nächste Nacht noch zu erleben. Es war schon mühsam, und er war fix und fertig, als er das Bett endlich erreichte. Er legte sich nicht hin, sondern setzte sich auf die Bettkante.
Den Kopf hielt der Bischof gesenkt. Die Finger strichen über die wenigen Haare hinweg, die ihm noch geblieben waren. Dumpfe Gedanken stolperten durch sein Hirn. Es war ihm nicht möglich, sich auf einen Punkt zu konzentrieren. Alles lief durcheinander. Die Vergangenheit, die Gegenwart, und er dachte wieder daran, daß es eine Zukunft für ihn wohl nicht mehr gab. Die würde von der Vergangenheit ausradiert werden.
Trotz seines Alters konnte er noch gut sehen und hören. Deshalb hörte er auch das Geräusch. Nicht von außen kam es, es war in seinem Zimmer entstanden.
Der Bischof hob den Kopf.
Aus einer schmalen Nische zwischen zwei Regalen zwängte sich eine Gestalt hervor. Sie war ganz in Schwarz gekleidet, und deshalb fiel das Gesicht mit der bleichen Haut besonders auf.
Kein Bart mehr, keine Haare, die wild auf seinem Kopf wuchsen. Ein glattes und auch junges Gesicht, denn es hatte sich in den letzten dreißig Jahren nicht verändert.
Carlos kam zwei Schritte näher. Er lächelte. In seinen Augen lag ein satanisches Funkeln, und mit einer widerlich anzuhörenden seichten Flüsterstimme fragte er: »Hatten Sie mit meinem Kommen gerechnet, Herr Bischof? So sieht man sich wieder…«
***
Wir hatten die Sakristei wieder verlassen, waren durch die kühle Kirche gegangen und standen nun vor ihr auf der Plattform, an die sich die Treppe anschloß.
Die Tür war hinter uns zugefallen, wir hielten die Gesichter in den Wind, der die Tränen des Abbés trocknete.
Vor uns lag eine wilde Landschaft, die bestimmt ihren Reiz hatte, doch davon sahen wir nichts, denn die Bilder des Schreckens schwirrten durch unsere Köpfe.
Man hatte den Pfarrer ermordet. Aber nicht nur das. Man hatte ihn auf bestialische Weise getötet. Es war einfach schlimm gewesen. Schlimm, grausam und scheußlich.
Ich hatte mir das Rauchen zwar so gut wie abgewöhnt, hin und wieder aber wurde ich schwach. Ich klemmte mir den Glimmstengel zwischen die Lippen und gab mir im Windschatten der Tür selbst Feuer. Daß ich Blut schmeckte, war sicherlich nur Einbildung, aber mit der Zigarette kämpfte ich dagegen an, obwohl mich der neue Geschmack auch nicht gerade in eine optimistische Stimmung versetzte.
Als ich mich wieder zu den beiden anderen gesellt hatte, sagte Suko: »Normalerweise müßten wir jetzt die Kollegen alarmieren, damit sie den Fall untersuchen.«
»Ja, normalerweise«, wiederholte ich. »Wahrscheinlich wirst du so denken wie ich. Es wird uns Zeit kosten, die wir aber leider nicht haben.«
»Ich denke ebenso.«
»Wir müssen ihn in der Sakristei lassen. Der Killer ist wichtiger. Wir wissen, wer den Pfarrer getötet hat, aber bring das den Dorfpolizisten mal bei.«
»Wird schwer sein.«
»Eben.«
Abbé Bloch räusperte sich, bevor er sprach. »Wir müssen den Bischof warnen, Freunde, und zwar nicht allein durch unser Erscheinen im Kloster. Ich sollte mit ihm telefonieren.«
»Hast du ein Handy?« fragte ich.
»Nein, nicht hier.«
»Dann suchen wir uns eine Zelle.« Ich schaute den Abbé an. »Im Ort habe ich eine gesehen. Nicht weit vom Friedhof entfernt. Kann das sein?«
»Wir fahren hin«, entschied Suko.
Ich trat die Kippe aus und folgte den beiden, die schon die Stufen der Treppe hinabliefen. Dabei hoffte ich, daß der tote Pfarrer so spät wie möglich entdeckt wurde. In eine Ringfahndung der Polizei wollte ich nicht unbedingt hineinlaufen.
Suko hatte sich hinter das Steuer gesetzt. Wir hatten uns einen himmelblauen Renault Laguna geliehen,
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