0939 - Wenn der Satan tötet...
auch das alte Holzkreuz hing, das ihm vor langer Zeit zur Priesterweihe von seiner Familie geschenkt worden war.
Er hatte es stets in Ehren gehalten, schaute nun auf den Leichnam des Gekreuzigten und faltete die Hände. Der Bischof betete, aber nicht für sich, sondern für die Menschen, die sich möglicherweise im Dunstkreis des Teufelsdieners bewegten und nicht ahnen konnten, was noch auf sie zukommen würde.
Seine Lippen waren schlaff, dünn und auch blaß geworden. Sie bewegten sich zitternd, und die geflüsterten Worte- waren kaum zu verstehen. Einige Minuten vergingen, und die Starrheit auf dem Gesicht des Bischofs wich, weil er spürte, daß ihm das Gebet wieder eine innere Kraft gegeben hatte.
Die Zeiten hatten sich zwar geändert, was er natürlich mitbekommen hatte, aber das Böse war gleichgeblieben. Es würde sich nie ändern, es würde nur immer nach neuen Varianten suchen, um die Menschen in seine Gewalt zu kriegen.
Alain Fumeaux öffnete die Zimmertür. Der nächste Schritt führte ihn direkt in den Flur hinein, wo das Licht der kugeligen Deckenleuchten auf dem blanken, roten Steinboden reflektiert wurde. Wenn er sich nach links wandte, gelangte er zur Hintertür. Sie ermöglichte ihm den Weg in den Garten, und dort wollte er auch hingehen, nicht zu den übrigen Bewohnern, dann mußte er sich in die andere Richtung wenden, die zu einem großen Aufenthaltsraum führte.
Langsam ging er weiter. Schritt für Schritt. Hin und wieder mußte er pausieren und lehnte sich dabei gegen die Wand, die ihm für die Dauer der Pause Halt gab.
Die Hintertür wurde nur am Abend abgeschlossen. Tagsüber war sie offen, so auch jetzt. Der Bischof drückte die Klinke nach unten und verließ das Haus, begleitet vom Knarren der alten Angeln, doch diese »Musik« kannte er.
Der Morgen war kühl und Windig. Die Frische drang gegen sein Gesicht, sie machte ihn frei, und er atmete tief durch. Es tat gut, diesen herbstlichen Geruch aufzunehmen, der sich im Garten ausgebreitet hatte.
Noch trugen die Bäume ihr Laub. Es bildete bunte Planen in zahlreichen Farben, die auch die auf dem Boden stehenden Bänke schützten, auf denen sich jetzt niemand mehr befand.
Es waren schmale Wege angelegt und mit hellem Kies bestreut worden, aber auch hier lagen die Blätter, und der Bischof mußt achtgeben, daß er nicht ausrutschte. Er bedauerte es, seinen Gehstock nicht mitgenommen zu haben, aber zurück in sein Zimmer gehen, das wollte er nicht mehr. So lenkte er seine Schritte zur ersten Bank und ließ sich trotz der kühlen Witterung darauf nieder.
Er stöhnte leise auf, als er sich zurücksinken ließ und die grün gestrichenen Latten in seinem Rücken spürte. Es war ein schöner Platz, eigentlich zu allen Jahreszeiten. Man konnte sich ausruhen, der Blick durchstreifte den Garten, und im Winter, wenn die Bäume kahl waren, dann konnte er die Straße sehen, die das flache Gelände durchschnitt. Er sah die Autos, die sich bewegten, als würden sie schweben, denn sie waren zu weit entfernt, als daß sie zu hören gewesen wären.
Eine wunderschöne kleine Welt, in der sich der Mensch ausruhen und entspannen konnte.
Das hatte der Bischof auch vor, nur brauchte es dazu mehr als den Willen, denn es lag auch an der Einstellung. Die jedoch stimmte bei Alain Fumeaux an diesem Tag nicht.
Er schaffte es nicht, sich zu konzentrieren. Immer wieder versuchte er es, die Dinge um sich herum positiv zu sehen, aber das war und blieb der Schatten, den er auch mit geschlossenen Augen deutlich erkannte, weil er sich zu einem Gesicht verwandelt hatte.
Zu seinem Gesicht.
Carlos starrte ihn an!
Und der Bischof sah ihn so, wie er ihn auch in Erinnerung behalten hatte. Das hatte man ihm gesagt.
Der Pfarrer, er wußte Bescheid und…
Das Gesicht grinste.
Er grinste böse und wissend. Die Erinnerung ließ den Bischof frösteln. Das Gesicht war immer blaß gewesen, umrahmt von dunklen Haaren. Es war ihm auch stets alterslos erschienen, und noch heute fragte er sich, wie es dieser Mensch fertiggebracht hatte, andere derart zu täuschen und in der Kirche hatte Fuß fassen können.
Er wußte es nicht. Aber er wußte, daß es überall schwarze Schafe gab, nur gehörte dieser Pater Carlos eben zu den schwärzesten, die man sich überhaupt vorstellen konnte.
Nie hatte der Bischof den Mörder vergessen, und jetzt war der sogar frei. Er würde wieder zurück-kehren. Zuerst in der Erinnerung, dann aber wirklich.
Das Gesicht sah er, das Gesicht…
»Herr
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