094 - Der Teufel von Tidal Basin
Lederetui aus ihrer Handtasche und reichte es ihm. Er öffnete eine der Schubladen und zog ein dickes Päckchen heraus.
»Ich glaube, es verwahren nur wenige Leute dreitausend Pfund in ihrer Wohnung.« Er sprach jetzt vollkommen ruhig. »Was auch immer geschehen mag, morgen wollen wir über die Grenze. Wenn mir etwas zustoßen sollte, nimmst du das Geld an dich und fährst fort.«
Sie klammerte sich entsetzt an seinen Arm.
»Was könnte dir denn zustoßen, Louis? Du hast ihn doch nicht getötet - das Messer . . .«
Er machte sich unwillig von ihr frei.
»Ich weiß nicht, ob ich ihn getötet habe. Nun höre aber gut zu. Du mußt jetzt deinen Verstand zusammennehmen. Selbst wenn dieser Erpresser alles gesagt haben sollte, kann man dir nichts tun. Aber ich möchte dir alle Unannehmlichkeiten der Verhöre vor dem Polizeigericht und so weiter ersparen.« Plötzlich vernahm sie ein Geräusch.
»Es kommt jemand die Treppe herauf«, flüsterte sie. »Geh schnell ins Schlafzimmer - schnell!«
Als er zögerte, schob sie ihn in den anderen Raum, eilte dann zur Tür und lauschte. Sie konnte flüsternde Stimmen hören. Rasch ging sie ins Wohnzimmer zurück, schaltete die Leselampe ein und öffnete mit zitternden Händen ein Buch. Sie zog gerade noch einen kleinen Nähtisch an das Sofa, als es laut klopfte. Einen Augenblick betrachtete sie sich in dem großen Spiegel, der in der Diele stand, puderte sich schnell und öffnete dann die Tür.
Draußen standen zwei große Herren, die sie mit düsteren Blicken betrachteten. Das Schicksal erfüllte sich. »Wer sind Sie?« fragte sie beherrscht.
»Detektivinspektor Bray von der Kriminalpolizei«, sagte Bray förmlich. »Und dies ist Detektivsergeant Elk.«
»Guten Abend, Mrs. Landor.«
Es war charakteristisch für Elk, daß er sofort die Führung des Gesprächs übernahm. Er besaß die Liebenswürdigkeit eines Mannes, der großes Selbstvertrauen hat.
»Bitte, kommen Sie herein«, sagte sie.
Sie traten in die Diele, und es fiel ihr auf, daß keiner den Hut abnahm.
Sie gab sich die größte Mühe, gleichgültig zu erscheinen und einen fröhlichen Ton in ihre Stimme zu legen.
»Ich hätte eigentlich gleich erkennen sollen, daß ich Detektive vor mir habe«, meinte sie. »Ich habe schon so viele auf der Leinwand gesehen, und daher weiß ich, daß sie nie den Hut abnehmen.« Sie lächelte.
Mr. Bray faßte diese Worte als Vorwurf auf, Elk war dagegen offensichtlich belustigt.
»Ein Detektiv, der seinen Hut abnimmt, Mrs. Landor, ist nur ein Detektiv mit einer Hand - mit anderen Worten, eine seiner Hände ist gerade in dem Augenblick beschäftigt, in dem er sie beide braucht.«
»Ich hoffe, daß Sie keine Hand brauchen«, erwiderte sie. »Wollen Sie nicht Platz nehmen? Kommen Sie Joans wegen?«
Es war häßlich von ihr, das ehrliche und anständige Dienstmädchen zu verdächtigen, aber im Moment fiel ihr nichts anderes ein.
»Aber wir wollen leise sein. Mein Mann schläft schon.«
»Dann ist er aber sehr schnell eingeschlafen, Mrs. Landor«, sagte Bray. »Er ist doch erst vor ein paar Minuten gekommen.«
Sie zwang sich zu einem Lächeln.
»Vor ein paar Minuten? Das ist ganz ausgeschlossen! Er ist schon um zehn zu Bett gegangen.«
»Verzeihen Sie, ist dann noch ein anderer Herr in die Wohnung gekommen?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Kommen nicht manchmal Einbrecher die Feuerleiter herauf?«
Sie lachte über diese Frage.
»Ich weiß wirklich nicht, welchen Weg die Einbrecher nehmen. Aber ich selbst benütze die Feuerleiter niemals, und ich hoffe auch nicht, daß ich sie jemals benützen muß!«
Elk lächelte.
»Wir möchten Ihren Mann sprechen«, sagte er nach einer kurzen Pause. »Ist das sein Zimmer?« Er zeigte auf eine Türe.
Sie hatte sich an den Tisch gesetzt, auf dem das offene Buch lag, und die Hände im Schoß gefaltet, um ihre Erregung nicht zu verraten. Aber jetzt erhob sie sich rasch.
»Nein, das ist das Mädchenzimmer, das Schlafzimmer liegt hier. Aber ich möchte ihn nicht gern stören, er fühlt sich nicht wohl, weil er auf der Straße gestürzt ist.«
»Das tut mir leid«, entgegnete Elk. »Also hier ist das Zimmer?«
Sie antwortete nicht, sondern ging zur Schlafzimmertür und klopfte an.
»Louis, es sind ein paar Herren da, die dich sprechen wollen.« Er kam sofort heraus, und zwar ohne Rock und Kragen, aber es war ohne weiteres zu erkennen, daß er sich nicht angezogen hatte, sondern im Ausziehen begriffen war. »Ach, bist du gerade
Weitere Kostenlose Bücher