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0941 - Das unheile London

0941 - Das unheile London

Titel: 0941 - Das unheile London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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abwärtszufahren.
    »Wohin bringt uns der Lift? Keller?«
    »Tiefer«, sagte Hogarth. »Hochsicherheitsbereich. Quarantäne. Hierher werden normalerweise Verdachtsfälle von Ebola und vergleichbar hochinfektiöse Geschichten gebracht.«
    »Und jetzt die Pest? Ist die Diagnose inzwischen bestätigt?«, bezog sich Zamorra auf ihr erstes Telefonat.
    »Zweifelsfrei.«
    »Das ist schrecklich - für den Betroffenen und für die, die Kontakt mit ihm hatten. Aber heutzutage heilbar, zumindest im Frühstadium, oder?« Zamorra starrte die Wand der Kabine an, die unaufhaltsam tiefer glitt. Inzwischen war ihm klar, dass dies kein normales Klinikum der britischen Armee war. »Dahinter, dass Sie mich unbedingt an Ihrer Seite haben wollen, steckt mehr, richtig, Paul?«
    »Richtig, Professor.«
    »Und sie wollen mir immer noch nicht verraten, was?«
    »Gleich. Bitte gedulden Sie sich noch ein wenig.«
    Zamorra deutete ein Nicken an.
    Der Lift hielt.
    »Wie tief sind wir?«
    »Dreißig Meter.«
    »Klingt nach Atombunker.«
    Hogarth grinste schal. »Jetzt noch vierzig Meter horizontal .«
    »Was dann?«
    »Dann bekommen Sie Ihre Antwort.«
    Sie begegneten etlichen Soldaten, allesamt bewaffnet. Das Martialische gefiel Zamorra nicht sonderlich. Aber die Militärs tickten nun mal so.
    Plötzlich kam ihnen ein hochgewachsener schlanker älterer Mann mit markanten Gesichtszügen und grau melierten Schläfen entgegen. Männliche und weibliche Armeeangehörige salutierten zackig und standen stramm, bis er an ihnen vorbei war. Seine Uniformabzeichen verrieten den Dreisterne-General, aber im Grunde war das nur die Bestätigung eines Eindrucks, den der erfahrene Betrachter bereits anhand des Auftretens gewonnen hatte.
    »General Churchill«, stellte Hogarth ihn vor, als er sich vor ihnen aufbaute.
    Zamorra reichte ihm die Hand, der General ergriff sie.
    »Wie der berühmte britische Premier?«, fragte Zamorra.
    Churchill schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Dazu fehlt es mir am passenden Vornamen und noch etwas an Gewicht. Und natürlich an Geschmacksverirrung hinsichtlich Zigarren.« In seinen Augen blitzte kurz der Schalk.
    Das sollte ein steifer Kommissschädel sein?
    »Am besten, wir sehen ihn uns gleich an«, schlug der General ohne viel Herumgerede vor.
    »Den Kranken?«, fragte Zamorra.
    »Den Killer«, erwiderte Churchill, »und mutmaßlichen Zeitreisenden.«
    4.
    Lance Eisenhuth war kreuzunglücklich.
    Der Sohn deutschstämmiger Einwanderer war in der Piccadilly Road geboren und lebte dort auch heute noch. Seine Eltern hatten ihm eine nette kleine Wohnung hinterlassen, als sie vor fünf Jahren beide bei dem schweren Sprengstoffanschlag auf die Londoner U-Bahn ums Leben gekommen waren. Außer ihnen hatte es noch über fünfzig andere unschuldige Opfer gegeben, von den mehreren Hundert Verletzten ganz zu schweigen.
    In ein paar Tagen jährte sich der Tag, an dem Eisenhuths eigenes Leben aus den Fugen geraten war. Beim tragischen Tod seiner Eltern war er gerade mal volljährig gewesen und ins kalte Wasser geworfen worden. Verwandtschaft und Freundeskreis hatten sich anfangs noch bemüht, ihn seelisch aufzufangen, doch Eisenhuth hatte sich mehr und mehr verschlossen. Heute, mit Anfang zwanzig, war er zum Eigenbrötler geworden und durchstreifte bevorzugt nach Einbruch der Dämmerung die Parks der Stadt.
    Gerade in diesen Frühsommertagen hielt er es in der mit Erinnerungen gepflasterten Wohnung kaum aus und war oft an der frischen Luft. Der Hyde lag seinem Apartment, das er mit seinem Buchhalter-Job kaum halten konnte und sich längst völlig verschuldet hatte, am nächsten.
    Oft flüchtete er sich auch in die bunte laute Welt der Spielhöllen, von denen es an jeder Ecke eine gab. Er wusste, dass er an den Automaten, die unersättlich sein schwer verdientes Geld schluckten, nicht gewinnen konnte. Dennoch hielt ihn die illusorische Hoffnung bei der Stange. Ohne seine Spielsucht hätte er weniger Geldprobleme gehabt. Aber ohne diese Ablenkung wäre er vielleicht auch schon längst in die Themse gesprungen.
    Mit düsterer Laune betrat er den Hyde durch eines der hübsch verzierten Portale. Die Sonne war untergegangen, und bis zum Einbruch der völligen Dunkelheit würde es allenfalls noch eine Stunde dauern.
    Lance mochte die Nacht lieber als den Tag. Er verstand nicht, dass Menschen sich vor ihr fürchteten. Aus Gesprächen mit anderen - als er noch viel mit anderen gesprochen hatte - wusste er, dass Dunkelheit in den meisten schwer

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