0942 - Die blutige Lucy
denke ich sogar über eine Antwort nach.«
»Haben Sie eine?«
Klinger hob die Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Ich will ehrlich sein, Mr. Sinclair. Seit einigen Minuten machen uns gewisse Einbrecherbanden aus Rumänien das Leben hier schwer. Aber nicht nur hier, auch auf dem Kontinent sind sie tätig, und ich denke mir, daß diese beiden Männer eventuell zu einer dieser Banden gehört haben.«
»Das ist möglich.«
Er schaute mich an. Sein schmaler Mund zuckte, bevor er fragte: »Aber sie glauben mir nicht, wie?«
»Es fällt mir zumindest schwer.«
»Warum?«
»Ich frage mal anders. Sind Einbrecher Mörder? Haben diese rumänischen Banden auf ihren Raubzügen schon Tote hinterlassen?«
»Nein, das nicht.«
»Eben. Deshalb gehe ich davon aus, daß sie bewußt zu dem Reporter geschickt wurden, um bei ihm etwas zu finden, was für Sie wichtig sein muß.«
Klinger stimmte mir zu, bevor er fragte: »Haben sie denn eine Ahnung, was es sein könnte?«
»Ja - Fotos!«
»Ho.« Seine Augen funkelten plötzlich. »Sie denken an belastendes Material?«
»So ist es.«
»Das haben wir bei den beiden nicht gefunden. Es wäre uns sicherlich aufgefallen.«
»Glaube ich Ihnen gern, Mr. Klinger. Wir könnten davon ausgehen, da es die Fotos noch gibt.« Ich deutete auf die Tür. »Hier in dieser Wohnung.«
Bill, der soeben die Küche betrat, hatte meine letzten Worte mitbekommen. »Der Meinung bin ich auch, John. Ich habe mich in der Dunkelkammer umschauen können, aber keine Fotos entdeckt, obwohl die gefüllten Schalen mit Entwickler und Fixierlösung darauf hinwiesen, daß Sam Fisher Aufnahmen entwickelt haben muß, wahrscheinlich sogar am selben Tag.«
»Sehr gut«, sagte ich und sprach weiter. »Wenn wir davon ausgehen, daß die beiden Rumänen die Fotos nicht bei sich hatten, dann müßten die Fotos noch hier zu finden sein.«
»Denke ich auch, John.«
»Du hast nur die Dunkelkammer durchsucht?«
»Sicher.«
»Wo kann er sie sonst noch versteckt haben?«
Bill hob die Schultern. »Auch wenn es sich dumm anhört, an einem sicheren Ort. Die Aufnahmen waren wichtig. Er wird sie so hingelegt haben, daß er schnell an sie herankommt. Sie müßten auch trocken gewesen sein, ergo hätte er sie irgendwo verstauen oder einstecken können.«
»Einstecken«, wiederholte ich.
»Sicher.«
Ich schaute Arthur Klinger an. »Haben Ihre Leute bereits die Taschen des Toten geleert?«
»Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht in den letzten Minuten.«
Rasch rutschte ich vom Hocker.. »Wenn nicht, dann sollten sie es sofort tun.« Mit diesen Worten verließ ich die Küche, gefolgt von den beiden anderen Männern.
An der offenen Tür zum Schlafzimmer blieb ich stehen. Die Männer waren noch bei der Arbeit. Der Fotograf hatte seine Bilder geschossen und packte bereits ein. Neben dem Bett stand schon die Wanne, in der der Tote verschwinden würde.
Ich ließ Arthur Klinger den Vortritt. Er hatte hier das Sagen. Seine Leute traten zur Seite. Ihre Hände steckten in Handschuhen, die so dünn aussahen wie die Haut einer Schlange.
Klinger erkundigte sich danach, ob die Kleidung des Toten schon durchsucht worden war.
Seine Leute verneinten, deshalb machte sich der Beamte selbst an die Arbeit. Und er fand die drei Fotos schnell, denn sie hatten in der Innentasche der Jacke gesteckt.
»Suchen Sie danach?« fragte er, hielt die Aufnahmen hoch und faltete sie wie ein Kartenspiel auseinander.
»Genau die!« bestätigte ich.
Klinger senkte den Blick, um sich die Aufnahmen anzuschauen. Wir ließen ihn, und er zeigte sich wenig beeindruckt: »Darauf ist überhaupt nichts zu sehen, was für mich relevant wäre.«
»Vielleicht für uns.«
»Ich wünsche es Ihnen, Kollege.«
Bill und ich zogen uns mit den Aufnahmen zurück in die Küche, wo das Licht sehr hell war. Von meinem Freund wußte ich, in welchem Hotel sich der Reporter aufgehalten hatte. Ich kannte den offiziellen Grund und mittlerweile auch den inoffiziellen, denn er hatte Bill erst bei dem letzten Telefongespräch berichtet, um was es ihm eigentlich ging. Darum, daß er Lucy Tarlington gesehen hatte, die blutige Lucy, die vor mehr als hundert Jahren gelebt hatte und eigentlich hätte tot sein müssen, wovon Fisher allerdings nicht mehr überzeugt gewesen war.
Wir legten die Aufnahmen nebeneinander auf den Tisch. Der Lampenschein blendete zwar etwas, aber wir erkannten die Motive trotzdem, die sich glichen wie ein Ei dem anderen.
Das Wort Toilette war zu lesen. Und
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