0943 - Das Vampir-Phantom
Seite. Dort war es nur finster, abgesehen vom schwachen Lichtschein, der aus dem Nebenfenster fiel. Dort übernachteten Bill und Suko.
Schaute ich nach rechts, war die Beleuchtung am Eingang zu sehen. Sie breitete sich gelb und rötlich aus, zerstörte aber nicht sehr viel von der Finsternis.
Ich kletterte hinaus. Zwischen Fenster und Kühlergrill des BMW landete ich. Dort duckte ich mich und ließ den Stein an der Kette wieder nach unten sinken. Er blieb dicht über dem Boden hängen und bewegte sich sofort wieder von einer Seite zur anderen. Sogar kräftiger als noch in der Wohnung.
Ich selbst sah die Gefahr nicht, aber ich würde sie finden. Innerlich stand ich unter Spannung, so daß ich die kalte Luft kaum spürte.
Ich schlich an unserem BMW vorbei und warf dem Gesicht auf dem Stein immer einen Blick zu, wobei mich dort besonders die Augen interessierten. Sie glühten wieder.
Am Heck blieb ich stehen. Mit der Daumenkuppe glitt ich über das Gesicht hinweg, weil ich nachfühlen wollte, ob es weicher geworden war. Das stimmte nicht, und es hatte sich auch nicht verschoben.
Wo fand ich das Phantom?
Es hielt sich zurück. Es war mit der Dunkelheit verschmolzen. Bei unserem ersten Treffen hatte ich es als Mittelpunkt der Wolke erlebt, jetzt befanden sich um mich herum nur noch Wolken oder Dunkelheit.
Ich ging nach rechts. Der Eingang lockte mich. Vielleicht auch das Licht, in dessen Schein ich mich aufhalten konnte und dabei so etwas wie den Lockvogel spielte.
Warten…
Noch zwei, drei Sekunden, in denen sich nichts tat. Also überwand ich mich und schritt auf den Eingang zu.
Mein ausgestreckter Arm wurde allmählich steif, trotzdem trug ich das Pendel weiterhin vor mir her.
Das Gesicht der versteinerten Zunita war mir zugedreht. Das blieb auch so, als ich den Rand des Lichtscheins erreichte und nach rechts gegen die Glastür schauen konnte.
Dahinter befand sich die Anmeldung, die Tag und Nacht besetzt war oder besetzt sein sollte, denn der Mann, der eigentlich dort seinen Dienst tun mußte, war nicht zu sehen.
Dafür entdeckte ich die Automaten, wo unser karges Essen und die Getränke herstammten.
Es war ruhig, sehr ruhig, vielleicht auch zu ruhig. Mir gefiel die Stille nicht. Ich fühlte mich so ähnlich wie ein kleiner Junge, der zum erstenmal in einen düsteren Keller geht und sich davor fürchtet, daß seine Alpträume zur schrecklichen Wahrheit werden.
Aber ich war kein Kind, und ich litt auch nicht unter Alpträumen. Trotzdem schreckte ich zusammen, als die beiden Glashälften der Tür plötzlich zur Seite schwangen, weil ich auf dem Boden einen bestimmten Kontakt berührt hatte.
Beinahe wäre ich vor diesem normalen Vorgang zurückgeschreckt. Das kam daher, daß ich mich zu sehr auf das Pendel und auf den nicht sichtbaren Vampir konzentriert hatte.
Die warme Luft schlug mir entgegen. Sie füllte die Leere in der unmittelbaren Umgebung der Anmeldung.
Ich trat hinein.
Das Pendel schwang jetzt, sogar stärker, und in den Augen lag ein dunkelrotes Glühen. Der Mund blieb dabei verzogen, die oberen beiden Zähne schauten wie krumme Stifte hervor. Es hätte mich nicht gewundert, wenn mir dieses Maul plötzlich eine Warnung entgegengezischt hätte.
Aber es blieb still.
Ich schritt auf die Rezeption zu. Eine schlichte Holztheke. Dahinter ein Brett mit Schlüsseln, die an Haken hingen. Ich sah auch einen PC, dessen Bildschirm ausgeschaltet war. Eine Lampe mit Metallgelenk hüllte die Theke in angenehmes Licht.
Alles normal, aber wo war der Mann von der Anmeldung?
Ich machte mir Sorgen. Links von mir summten die Überlebens-Automaten. Ein monotones, leises Geräusch; ansonsten herrschte Stille.
Ich stützte meinen linken Ellbogen auf die Rezeption und beugte mich vor.
Der Mann war ja doch da!
Er lag auf dem Boden in der Lichtinsel. Neben ihm lag noch aufgeblättert eine Illustrierte. Die Beine hatte er angezogen, der Hals lag frei, ebenso der Oberkörper.
Und beides war blutverschmiert.
***
Das Pendel schwang schneller. Beinahe hektisch. Ich hatte es nicht richtig hoch gehalten, und so kratzte es über die Platte der hölzernen Rezeption hinweg.
Mit zwei Schritten war ich so weit nach rechts gegangen, um hinter die Rezeption schauen zu können. Ich wollte wissen, was mit dem Mann dort geschehen war. Ob man ihn »normal« getötet oder er zu einem Blutsauger geworden war.
Dazu kam es nicht mehr. Es war mehr Eingabe als Wissen gewesen, jedenfalls drehte ich mich um, und mein Blick glitt
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