0943 - Herren aus der Tiefe
führend, hatten sie die Wartenden fast erreicht. Als Gryf nach ihnen rief, drehten sich ihre hasserfüllten Gesichter zu ihm um. Unbändiger Zorn glomm in Augen, die so dunkel waren wie die Unendlichkeit.
»Ich dachte, ihr seid Bewahrer«, schrie der Druide ihnen entgegen. »Wesen, denen das Wohl dieser Region und ihrer Bewohner etwas bedeutet. Stattdessen wütet ihr herum, als schere euch nicht, wie viele Opfer eure Handlungen haben!«
Menderbit schrie auf, als einer der grünen Riesen sein Hemd mit einem Wisch seiner Klaue auf der Brust zerteilte. Bebendes Fleisch kam zum Vorschein. »Bitte«, flehte der Mörder. »Bitte…«
»Lasst ihn!« Zamorra warf sich erneut gegen die Umklammerung seiner Bewacher. »Unsere Justiz kann sich um ihn kümmern!«
Vergebens - schon holte der Stadtvater aus, rammte dem kleinen Mann die Klauenhand in die ungeschützt daliegende Brust…
... und riss ihm in einer einzigen, grauenvollen Bewegung sein schlagendes, zuckendes Herz heraus.
Jenny schrie. Gryf und der Dämonenjäger wüteten im Würgegriff ihrer Entführer, und Andy Sipowicz wirkte, als stehe er kurz vor einer weiteren Ohnmacht - oder Schlimmerem.
Der Stadtvater, der gerade Menderbit getötet hatte, machte kehrt und ging auf den Druiden zu. Das blutige Herz in der Rechten, stakste er ihm entgegen und hielt es ihm direkt vor die Nase. Eine stumme, entsetzliche Provokation.
Gryf spannte die Muskeln an, sah zu dem Monstrum auf, wurde ruhig. Schloss mit dem Leben ab.
Das Wesen hob das Herz höher, legte den schmalen Schädel in den Nacken, riss sein Maul voller rasiermesserscharfer Reißzähne auf und biss in den menschlichen Muskel, dass es nur so spritzte. Schmatzend und mit sichtlichem Genuss kaute es auf seiner abscheulichen Nahrung. Und das Herz dampfte in der Kühle der Nacht.
Dann spuckte das Wesen zu Boden und warf den Rest des Organs gleich hinterher.
»Wwwirr sinnnd Bewahrrerrr«, hisste es. Eine Stimme, die es nicht gewohnt war, zu sprechen.
Seine blutverschmierte Hand strich über Gryfs Oberkörper, glitt seinen Hals hinauf. Drohend, gierig, hungrig.
Plötzlich drehte es sich um, vollführte eine unbeschreibliche Abfolge von Bewegungen mit Kopf und Händen - und seine Artgenossen ließen ihre Gefangenen los!
Andy stürzte sofort auf das Gestein, und Jenny kniete sich neben ihn, um nach ihm zu sehen. »Was wollt ihr denn noch?«, fuhr sie die Wesen an, während Tränen der Verzweiflung über ihre Wangen liefen und der Sturm mit ihrem Haar und ihrer Kleidung spielte. »Ihr hattet eure Rache! Was können wir euch sonst noch zu bieten haben?«
Der Stadtvater, auf dessen Konto Menderbit ging, wirkte, als lächle er - ein kaltes, ekelhaftes Lächeln auf grauenvollen Zügen. Dann aber neigte er den Kopf. Fast sah es wie eine kleine Verbeugung aus. Und Zamorra begriff.
Sie wollten gehen. Sie hatten, weswegen sie den Weg in diese Wirklichkeit auf sich genommen hatten. Alles andere war Spielerei und nicht ihre Aufgabe. Nur - konnten sie es nicht.
Nicht, solange es Zeugen gab, die der Welt von ihrer Existenz berichteten.
Zeugen, die die Gefahr eines zweiten Menderbits in sich bergen mochten! »Mein Name ist Zamorra«, sagte der Meister des Übersinnlichen fest und folgte dem Kurs, den sein Instinkt ihm riet. »Und ich… nun, mein Wort hat Bedeutung, würde ich sagen. Man kennt mich, längst nicht nur in dieser Sphäre. Ich garantiere euch persönlich dafür, dass euer Geheimnis bei uns sicher ist.«
Der Anführer der Wesen schnellte herum, eilte auf ihn zu. Kalte, ledrige Klauenhände schlossen sich um Zamorras Kopf - und eine fremde, gnadenlose Energie drang in seinen Verstand.
Bilder schossen vor Zamorras geistigem Auge vorbei, Momentaufnahmen eines Lebens für die Ordnung, eines jahrzehntelangen Kampfes gegen die Mächte der Finsternis und die Hölle selbst. Stygia, Nicole, Robin, Lucifuge Rofocale, Fu Long, Asmodis, Amun Re, Leonardo deMontagne, Merlin… Ereignis reihte sich an Ereignis, und in einer einzigen, endlos scheinenden Sekunde war dem Professor, als müsse er alles noch mal erleben.
Dann war es vorbei. Sowie das Wesen ihn entließ, brach er zusammen. Keuchend und kraftlos kam er auf den Steinen auf, schmeckte Blut. Er war müde. So unendlich müde.
»Deinnnn Worrrrtt…«, hisste die Stimme des Unheimlichen, und es kostete den Dämonenjäger alle Kraft, einfach nur zu nicken.
Seine Lider flatterten. Schwärze näherte sich seinem Geist, drohte ihn in die Ohnmacht zu reißen. Dabei musste
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