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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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rechtfertigte.«
    »Sie wollten den Brief, aber Sie wollten nicht, dass die Öffentlichkeit von seiner Existenz erfuhr«, folgerte Jenny. »Es musste im Geheimen geschehen.«
    Der Mäzen nickte. Er wirkte wie ein Vater, der sich über die Intelligenz seiner Lieblingstochter freute.
    »Aber… Die Leichen… die Todesarten! Wie in Gottes Namen haben Sie das geschafft? Und weshalb? Hätten Sie nicht einfach ein paar Einbrecher auf Roslin ansetzen können? Ein paar Hitmen ?«
    »Sergeant, Sergeant, Sie machen mir Sorgen.« Menderbit schüttelte den Kopf. »Ich hatte doch keine Ahnung, wo Roslin das gute Stück aufbewahrte. Und er machte mehr als deutlich, dass er an einem Verkauf kein Interesse hatte. Er wollte besitzen, nicht verdienen - genau wie ich. Nein, Sir, ich brauchte keine Gewaltverstärker. Ich brauchte einen Plan.«
    Er seufzte. »Sie wissen sicher, dass sich D'Aquino, Silverman und er noch aus Studientagen kannten. Nun, eines Abends aus dieser Zeit gerieten sie an mich.« Mit wenigen Worten beschrieb der kleine Glatzkopf ein Unterfangen, das Gryf zutiefst überraschte. Die drei einstigen Studenten der New York University waren arrogante Schwerenöter gewesen, so die Schilderung; typische Schnösel, die sich aufgrund ihres Status und des Geldes ihrer Väter für besser als den Rest hielten. Roslin und seine Spießgesellen glaubten, alles zu wissen. Sie glaubten, ihnen stehe die Welt offen und lege ihnen all ihre Reichtümer und Optionen zu Füßen - weil es nur recht und billig so sei.
    Sie glaubten, mächtige Männer zu werden. Und sie liebten die Macht.
    »Eines Nachts hatten sie wieder einmal über die Stränge geschlagen«, fuhr der Kleine fort. »Als sie mir begegneten, konnten George und Neil schon nicht mehr stehen, geschweige denn zusammenhängende Sätze formulieren. Nun, ich erlaubte mir einen Spaß mit ihnen.«
    Menderbit verabscheute die betrunkenen Kommilitonen, weil sie ihn jahrelang ob seines, Aussehens, seines Wesens und seiner mittelständischen Herkunft wegen verspottet hatten. In jener Nacht bat er sie in sein Wohnheimzimmer auf dem Campus und offerierte ihnen die Welt.
    »Ich hatte in Volkskunde gerade ein Seminar über regionale Legenden gehört und schaffte es tatsächlich, diesen wandelnden Schnapsleichen weiszumachen, einen Kontakt zu den Stadtvätern herstellen zu können«, erinnerte er sich lachend. »Mit ein wenig schauspielerischem Geschick, genügend Alkohol und gewisser anderer, die Wahrnehmung und das Urteilsvermögen beeinträchtigender Substanzen ließ ich sie glauben, einer echten Seance beizuwohnen. Ich beschwor die Bewahrer New Yorks und bat sie, diesen drei werdenden Superstars Macht und Reichtum zu garantieren, ganz wie sie es den Legenden nach in den Gründungstagen der Stadt getan hatten.«
    »Für den Preis ihrer Seelen«, murmelte Gryf. Es klang absurd, aber es passte ins Puzzle. Nichts anderes war der Kern der Stadtväterlegende: Macht auf Erden im Austausch für Glückseligkeit nach dem Tod.
    »Ganz recht.« Menderbit nickte. »Es war nur ein großer Spaß, wissen Sie? Meine kleine Chance, mich zumindest ansatzweise für die Demütigungen zu rächen, die die drei mir jahrelang entgegengebracht hatten. Ich revanchierte mich, indem ich sie dumm aussehen ließ, ihre Leichtgläubigkeit ausnutzte. Ein Streich.«
    »Und? Was hat das mit den Morden zu tun?«
    »Geduld, Miss Moffat«, sagte der Wicht und winkte gönnerhaft ab. »Jahrzehnte vergingen - und wie es der Zufall wollte, machten D'Aquino, Roslin und Silverman tatsächlich ihren Weg. Ich bezweifle, dass sie je wieder mehr als nur einen Gedanken an jene Nacht verschwendeten - und mir ging es genauso. Bis mir - über Wege, die offen zu legen ich keinerlei Veranlassung sehe - zu Ohren kam, dass der Schaghen-Brief existierte und sich in Roslins Besitz befand.«
    Gryf nickte nachdenklich. »Als er nicht verkaufen wollte, aus offensichtlichen Gründen, zogen Sie die Daumenschrauben an.«
    »Richtig. Mein Plan war es, Roslin glauben zu machen, die Stadtväter seien gekommen, um ihre Hälfte der damaligen Abmachung einzufordern. Die Seelen der drei Männer. Ich opferte D'Aquino und hinterließ mit dem Pferdehufabdruck einen ersten Hinweis, der ihn auf die richtige Fährte bringen sollte. Dann kümmerte ich mich um Silverman und sorgte dafür, dass Roslin durch das Emblem der West India Company in seinen Vermutungen bestätigt wurde - und ob Sie's glauben, oder nicht: Er gab nach. Zutiefst erschüttert und in Panik machte

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