0945 - Zielort Kristallwelt
Aufgaben bezahlt werden und sie emotionslos und effizient ausführen, das schien Sinje-Li jetzt das Erstrebenswerteste der Welt zu sein. Vielleicht würde sie sich von Tan Morano eine Aufgabe geben lassen, wenn er seine Stellung hier noch etwas gefestigt hatte.
Doch noch wagte sie es nicht, Tan Morano um eine Freistellung zu bitten. Er war zu sehr überzeugt, dass er das Richtige tat. Im Grunde war so eine Selbstsicherheit schon fast beneidenswert. Er schien nicht eine Sekunde daran zu zweifeln, dass das, was hier vor sich ging, genau das Richtige war. Und auch wenn Sinje-Li nicht wusste, was er letztendlich tun würde, wenn sie zu gehen wünschte, sie hatte Furcht davor, es herauszufinden.
Der ERHABENE stand nicht auf einer Bühne, sondern auf einer Antigravscheibe, deren Durchmesser mehrere Meter betrug, in der Mitte der Arena. Er hatte die Hinrichtung der Verschwörer keinem Henkersknecht überlassen wollen. Er selbst würde das erledigen, sichtbar für alle, erkennbar für alle, sodass niemand mehr im Zweifel war, mit was für einem ERHABENEN es die Ewigen jetzt für lange Zeit, wenn nicht gar für immer, zu tun haben würden.
Über dem Stadion kreisten unzählige ferngesteuerte Kameras, die alles bis ins kleinste Detail aufzeichnen würden, und Tan Morano dirigierte sie höchstpersönlich so, dass die Verschwörer, die er kreisförmig um die Antigravplatte aufzustellen gedachte, gut im Bild waren. Er würde dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit alles sehen konnte - er selbst hatte angeordnet, dass jeder Ewige verpflichtet war, das Ende der sieben Verschwörer mit anzusehen. Die, die in der Arena keinen Platz mehr fanden, versammelten sich auf dem Rest des Flugfeldes. Wer nicht auf dem Planeten weilte, der würde die Übertragung auf allen Medienkanälen sehen.
Sinje-Li stand als oberste Leibwächterin hinter Morano. Ein Platz, der ihr nicht gefallen hätte, so dicht am Herrscher, wenn da nicht das unangenehme Gefühl gewesen wäre, auf dem Präsentierteller zu stehen. Sie war selbst nicht zimperlich, was ein Menschen- - oder in diesem Fall ein Ewigenleben - anging, aber Mord aus Spaß? Und nichts anderes als grausamer Mord würde das hier werden. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie hier ausharren musste, doch ihr war durch Aufzeichnungen die Grausamkeit aller bisherigen ERHABENEN DER DYNASTIE bekannt. Kein Mensch auf der Erde, ja nicht einmal die Dämonen der Hölle hätten das, was sich allein eine ERHABENE wie Nazarena Nerukkar geleistet hatte, auch nur ein Jahr lang mitgemacht, ohne sich selbst zu erheben. Und Tan Morano würde dem noch einen drauf setzen wollen. Schon allein der Gedanke ließ sie schaudern.
Irgendwo konnte Sinje-Li deshalb Verständnis für die sieben Verschwörer aufbringen. Sie hatten ihre Welt nur von einem weiteren Tyrannen befreien wollen. Wahrscheinlich war ihnen Tan Morano als Person völlig egal.
Das Einzige, was man zu ihren Ungunsten wohl sagen musste, war, dass die Herrschaft unter ihnen wohl kaum besser geworden wäre.
Die Tribünen füllten sich langsam, immer mehr Ewige nahmen dort Platz und sahen mehr oder weniger unbehaglich auf die riesigen Videowände, die überall angebracht waren, als ginge es um nichts weiter als eine Sportveranstaltung. Über allem lag eine unheimliche Stille. Die vielen Ewigen hätten Lärm machen müssen, ein ständiges Summen hätte die Luft erfüllen müssen, aber nichts dergleichen tat sich. Wie schon bei der Begrüßung ihres neuen ERHABENEN schwiegen sie und straften ihn mit Nichtachtung.
Schließlich - nach einer Ewigkeit, wie es der Raubvampirin schien - waren die Ränge bis auf den letzten Platz besetzt.
Tan Morano sah überlegen auf den weiten Platz, der sich vor ihm ausbreitete. Er schloss kurz die Augen. Wahrscheinlich steuerte er unter anderem so die Kameras, denn es sirrte um das überdachte Podest und die Kameras gingen auf andere Positionen. Auf den Videoleinwänden war jetzt zu sehen, dass sich nicht nur die Arena, sondern auch das Flugfeld des Raumhafens gefüllt hatte. Die Menge stand dicht an dicht, endlos, Millionen von ihnen.
Tan Morano nickte zufrieden. Er hatte sich eine neue Uniform geschaffen, in Blutrot diesmal, aber ohne Brustpanzer. Überhaupt sah es so aus, als zöge er es jetzt vor, keinen Schutz zu tragen. Doch Sinje-Li war sich sicher, dass ihn ohnehin nichts hätte treffen oder verletzen können, nicht einmal sie.
Sein Outfit sah prächtig, aber stilvoll aus, eine lange, gut sitzende beinahe barocke
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