0946 - Priester der Kälte
Château Montagne blühten ganzjährig unter einer frei schwebenden Mini-Sonne Regenbogenblumen. Die einzigartigen Pflanzen tauchten in keinem biologischen Lehrbuch auf. Ihre Blüten welkten nie, sie befanden sich das ganze Jahr über in voller Pracht. Wie das funktionierte, blieb bis heute unklar, ebenso, ob es wirklich die Unsichtbaren gewesen waren, die die frei schwebende Mini-Sonne im Kuppelraum hier unten installiert hatten.
Professor Zamorra versuchte, nicht daran zu denken, wie wenig er eigentlich über die Transmitterblumen wusste. Zum ersten Mal hatte er im März 1991 einen zeitlosen Transport über die Regenbogenverbindung mitgemacht. Seitdem hatte er die Blumen viele Hundert Male benutzt. Zweimal wäre ihm die Verbindung beinahe zum Verhängnis geworden: Einmal reisten er und seine ehemalige Gefährtin Nicole Duval durch die Zeit und landeten in der Hölle, ein anderes Mal gerieten sie in die Spiegelwelt, wo die meisten ihnen bekannten Menschen einen völlig anderen Charakter als den gewohnten besaßen.
Seitdem versuchte Zamorra, strikt nur an das angestrebte Ziel zu denken, wenn er die Regenbogenblumen zur Ortsveränderung benutzte. Er hatte keine Lust, ein drittes Mal in Lebensgefahr zu geraten.
Château Montagne selbst war gegen ein Auftauchen missliebiger oder gefährlicher Besucher abgesichert. Zum einen gab es die M-Abwehr, die auch rings um das Schloss existierte. Im Regenbogenblumensaal wurde die M-Abwehr durch eine Unmenge von Bannzeichen und magischen Symbolen vor den Blumen erzeugt und war absolut undurchdringlich für jeden Dämon oder auch dämonisierten oder schwarzmagisch manipulierten Menschen. Zum anderen konnte kein Besucher von außen so einfach ins Schloss gelangen, sondern er musste erst vor Betreten des Schlosskellers einige Erkennungs- und Sicherheitsmaßnahmen bestehen, um nicht durch ein spezielles Computerprogramm gefangen gesetzt zu werden. Der Saal konnte hermetisch abgesperrt und im Notfall mit einschläferndem Gas geflutet werden.
Zum ersten Mal überhaupt passierte es, dass nicht etwa Personen mittels der Regenbogenblumen transportiert wurden, sondern ein Funkspruch.
Die Worte von Gevatter Tod hallten aus den Regenbogenblumen heraus und aktivierten die im gesamten Château installierte Visofonanlage. Die einst vom Computerspezialisten Olaf Hawk installierte Bildtelefonanlage war von allen angeschlossenen Räumen des Châteaus aus nutzbar, sowohl über Tastatur oder Spracheingabe ganz normal als Haustelefon und Überwachung wie auch als externes Telefon.
»Zamorra, hier Padrig YeCairn! Du musst unbedingt zum Silbermond kommen! Wir brauchen dich!«
Sobald hier unten im hermetisch abgesperrten Bereich ein Geräusch ertönte, wurde stiller Alarm gegeben. Die Automatik schlug an und leitete das Signal nach oben weiter. Sollte sich jemand Bekanntes im Kellergewölbe befinden, dann wurde er identifiziert und durfte natürlich unverzüglich passieren. Die Sicherung war nachträglich angebracht worden, nachdem einige Male ungebetene Besucher das Château über die Regenbogenblumen betreten hatten.
Das Stimmenerkennungsprogramm konnte mit YeCairns Ruf natürlich nichts anfangen, da seine Stimme nicht gespeichert war. Deshalb leitete sie den Ruf an die Hauptstelle weiter, die sich im Erdgeschoss zwischen Eingang und Kaminzimmer befand. Zusätzlich wurde ein Fehler bekannt gegeben, da sich kein Körper zu der eingefangenen Stimme in der Datenbank befand. Das war etwas, das nicht in der Grundprogrammierung enthalten war.
Es war erst wenige Minuten her, dass Butler William den Anruf versuch von Korr Takkon erhalten hatte. Er war noch nicht dazu gekommen, seinen Brötchengeber zu benachrichtigen. Zum einen hatte William einen Disput mit der wohlbeleibten Schlossköchin Madame Claire über das heutige Mittagessen, zum anderen befand sich Zamorra im zweiten Stock, im unteren Teil der Bibliothek. Wenn er in den Büchern nach Informationen stöberte, wollte er meist seine Ruhe haben.
Die Ruhe hatte er sich vollauf verdient. Die letzten Vorkommnisse mit Tan Morano, dem neuen ERHABENEN der DYNASTIE DER EWIGEN, hatten ihm einiges abverlangt. Genau zu dem Zeitpunkt, an dem sich Zamorra bei Fu Long, dem Fürsten der Finsternis befand, hatte Morano aufgrund einer Vision alle Vampire in den Palast der Kristallwelt beordert. Und nicht nur das, Morano war auch im Schloss aufgetaucht und hatte sich einen Kampf mit Zamorra geliefert, der diesen an den Rand der Erschöpfung gebracht hatte. Das
Weitere Kostenlose Bücher