0946 - Priester der Kälte
Sie wusste, was Verzweiflung bedeutete. Seit dem Tod ihres Mannes Lord Bryon wohnte sie bei Zamorra. Und jetzt hatte sie noch große Sorgen mit ihrem Sohn Rhett und dessen Freund Fooly. Dennoch sah die Endvierzigerin attraktiver aus als je zuvor. Die Freundschaft zu Cade Beauchamp, dem ehemaligen Gehilfen von Olaf Hawk, schien ihr ausgesprochen gut zu tun. Mittlerweile waren sie nicht mehr als Paar zusammen, aber wenn sie einen Freund zum Reden brauchte, war Cade immer noch ihre erste Wahl.
»Oder aber ziemlich verzweifelt«, bestätigte Zamorra. »Ich denke, dass du recht hast, Pat. Aus genau diesem Grund mache ich mich unverzüglich auf den Weg zum Silbermond.«
»Wir!« Mehr als dieses eine Wort sagte Patricia nicht.
»Wir?« Zamorras Gesicht sah aus wie ein einziges Fragezeichen. »Was meinst du damit?«
» Wir machen uns auf den Weg zum Silbermond«, bekräftigte Patricia. »Ich kann nicht ewig allein hier im Château bleiben. Ich muss etwas Sinnvolles tun, und Hilfe zu bringen ist immer sinnvoll. Die Sorge um Rhett bringt mich sonst noch um den Verstand.«
»Du bist nicht alleine hier, Pat«, widersprach Zamorra. Er wusste ja selbst nicht, was ihn auf dem Silbermond erwartete und ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, seine langjährige Bekannte in Gefahr zu bringen. »William ist hier, Madame Claire…«
»Du weißt genau, was ich meine.« Patricias Stimme klang leicht tadelnd. »Ich benötige eine Ablenkung, und falls ich dir bei deinem Fall helfen kann, dann wäre es ein Vergnügen für mich. Außerdem wäre es nicht zum ersten Mal, dass ich dir bei einem Fall helfen kann.«
Und wer weiß, wie oft ich das noch tun kann, nach allem, was in den letzten Monaten passiert ist , dachte sie, aber sie hütete sich davor, Zamorra etwas von ihren traurigen Gedanken zu sagen. Wer weiß, was Rhett in der nächsten Zeit noch anstellt.
»Es kann sein, dass es kein Zuckerschlecken wird, Patricia«, gab Zamorra zu bedenken. »Wenn Gevatter Tod ruft, dann nur, wenn er sich in gehörigen Schwierigkeiten befindet.«
Die sehr attraktive Frau mit den schulterlangen rotbraunen Haaren lächelte. Dennoch konnte man die Traurigkeit hinter ihrem Lächeln erkennen.
»Ich bin schon ein großes Mädchen, Zamorra, und ich kann mich ziemlich gut wehren«, sagte sie mit leichtem Vorwurf in der Stimme.
»Das solltest du nach so vielen Jahren wissen.«
***
»Selbst nach so vielen Jahren solltest du wissen, dass niemand sofort auf einen Notruf aus einer anderen Welt erscheinen kann. Das konnten früher weder Reek Norr oder Merlin noch kann es Zamorra heute«, sagte Vali mit leichtem Vorwurf in der Stimme zu Padrig YeCairn. Sie standen zu dritt neben dem Beet der Regenbogenblumen hinter Takkons Wohn-Ei. Der Sicherheitsbeauftragte trat gerade aus seiner Wohnung und kam auf sie zu. Sergej hielt sich neben Vali, aber wie meistens hielt er sich mit einer Äußerung zurück.
»Das habe ich auch nicht behauptet«, knurrte der Mann, der aussah wie der lebende Tod. »Ich hoffte nur, dass er überhaupt in seinem Schloss ist. Als viel beschäftigter Mann reist er ständig über seinen Heimatplaneten und manchmal sogar auf andere Planeten, und wir müssten Glück haben, wenn wir ihn bei seinen kurzen Visiten zu Hause erwischen.«
»Wir haben gleich Mittag«, mischte sich Korr Takkon in das Gespräch ein. »Ich habe gerade mit den Ärzte-Priestern gesprochen. Der Zustand von Tempelherr Rakko hat sich so weit gebessert, dass er spätestens heute Abend wieder den Befehl über die Priesterschaft übernehmen kann.«
»Das ist wenigstens eine gute Nachricht«, sagte YeCairn. Tzakk Rakko war zwar eine Art Widersacher von Takkon und ihm, aber bei aller Rivalität war er berechenbar. Er wirkte mäßigend auf seine Leute ein und hielt sich nicht mit dem täglichen Kleinkrieg auf, sondern hatte stets das Große Ganze im Auge. Aus dieser Sicht heraus war Rakko sicherlich die beste Wahl für das Amt des Tempelherrn.
»Soll ich noch einmal einen Notruf über die Regenbogenblumen versuchen oder soll ich gleich den Weg zu Zamorras Schloss auf diese Weise gehen?«, überlegte YeCairn laut.
»Nachdem ich mit den Priestern über Tzakk Rakko redete, habe ich gleich auch noch einmal die Visofonverbindung ausprobiert, aber das Ergebnis war gleich null«, gab Takkon als Information weiter.
»Also versuche ich es mit einem Transport über die Regenbogenblumen«, schlussfolgerte Gevatter Tod. »Ich muss nur aufpassen, dass ich die Anweisungen, die wir damals
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