0948 - Der Hort der Sha'ktanar
Halle standen nur Thyloo, der Hohepriester, Resar als Vertreter der Krieger und Lura als Gesandte der Priesterinnen.
Vor seinem Körper hielt Merlin ein Samtkissen, auf dem sieben eisblaue Kristalle lagen.
»Nun ist es also so weit«, sagte er. »Ihr seid bereit, die Bürde zu tragen, die ich euch auflaste. So empfangt nun die Seelenkristalle und bewahrt sie gut. Niemals dürfen sie in die Hände der Dämonen fallen, sonst ist alle Hoffnung dahin. Auf euch, die ihr durch euer Kommen den Bund der Sha'ktanar - den Bund der lichten Streiter - gegründet habt, ruht alle Verantwortung. Sorgt dafür, dass der Bund wächst und gedeiht, denn zu jedem Augenblick, der bis zur Reinigung der Erbfolge noch vergehen wird, braucht er genügend Menschen in seinen Reihen, die für das große Ziel zu sterben bereit sind.«
Er schloss die Lider und murmelte einige Worte, die keiner der Anwesenden verstand. Nur Zamorra kamen sie vage vertraut vor. »Anal'h natrac'h - ut vas bethat - doc'h nyell yenn vvé.«
Dann überreichte er Thyloo das Kissen mit den Kristallen, legte ihm die Hand auf die Stirn und sprach die gleichen Laute noch einmal. Er nahm das Kissen wieder an sich, überreichte es Resar und wiederholte das Ritual. Und dann ein letztes Mal mit Lura.
»Es ist vollbracht. Der Bund der Sha'ktanar ist geboren. Wie ich euch gesagt habe, liegt nun ein langwieriger, grausamer Weg vor euch. Lasst es mich noch einmal erklären: Von diesem Augenblick an werden die Kristalle die Seelen jedes sterbenden lichten Streiters in sich aufnehmen. Im Laufe der nächsten Jahrtausende gewinnen sie dadurch genügend Stärke, um eines Tages ein Gegengewicht zur Erbfolgerseele zu bilden. So wird es uns möglich sein, den Erbfolger zu töten oder ihn gar auf die Seite des Guten zu ziehen.«
Er machte eine kurze Pause und ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten.
»Doch der Preis, den ihr zu zahlen habt, ist hoch. Denn keiner von denen, die in die Seelenkristalle eingehen, wird wirklich sterben. Nach eurem Tod lebt ihr in den Kristallen weiter. Bei vollem Bewusstsein, jedoch ohne die Möglichkeiten, die ein Körper bietet. Gefangene, die über Jahrtausende hinweg auf Erlösung warten.«
»Wir sind bereit«, wiederholten alle Anwesenden mit einer Stimme den schon in der Jagdhütte geleisteten Schwur.
»Dann sei es nun! Ich werde mich beim Bund der Sha'ktanar melden, wenn die rechte Zeit gekommen ist.«
»Du selbst?«, fragte Thyloo. »In einigen Jahrtausenden? Dann doch wohl eher dein Nachfolger!«
Merlin lächelte. Dann drehte er sich um und verließ den Tempel.
***
»Zamorra? Bist du in Ordnung?«
Dylan McMours Stimme. Wie kam die in seinen Traum?
Etwas packte ihn an der Schulter und rüttelte.
»Na los, aufwachen. Für einen Mittagsschlaf ist es noch zu früh!«
Widerwillig öffnete er die Lider. Als das Licht seine Netzhaut traf, fühlte es sich an, als brenne es sie weg. Sein Kopf schien zu zerspringen. Hatte er schon jemals einen derart heftigen Kater gehabt?
»Hat jemand ein Aspirin?«, krächzte er. Wann hatte er eigentlich zum letzten Mal eine Kopfschmerztablette gebraucht?
»Wie fühlst du dich?«, fragte Rhett.
»Wie ausgekotzt. Wie nach einer durchzechten Nacht bei Mostache.«
»Häh?«, machte Dylan.
Zamorra winkte ab. Nicole hätte ihn sofort verstanden.
Was war geschehen? Hatte sich das Amulett an seinen Kräften bedient? Seit er die Silberscheibe von Asmodis zurückbekommen hatte, konnte das durchaus der Fall sein, allerdings nur, wenn Merlins Stern ein Kunststück aus seinem magischen Repertoire vollführte. Und das war schließlich nicht passiert, oder?
»Wie geht es Dunja?«, wollte er wissen.
»Bescheiden«, antwortete sie von der anderen Seite des Raums.
Nein, entschied er, das Amulett war nicht an seinem Zustand schuld. Es war das gleiche Phänomen, das er vorhin schon hatte durchmachen müssen.
Er sah zu Dylan, der vor ihm stand und trotz seines Grinsens besorgt wirkte. »Und was ist mir dir?«
»Alles fit im Schritt! Als ihr zwei euch irgendwo im Nirwana rumgetrieben habt, kam bei mir zwar auch wieder ein telepathisches Telegramm an. Aber ich lass mich davon nicht so niedermachen wie ihr Weicheier.«
Zamorra kannte Dylan inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er mit seiner nassforschen Art nur die Unsicherheit überspielen wollte. Wenn die Schwäche jeden Unsterblichen traf, der eine mentale Nachricht empfing, warum blieb der Schotte dann davon verschont?
Der Professor wandte sich Dunja zu -
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