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0949 - Die geronnene Zeit

0949 - Die geronnene Zeit

Titel: 0949 - Die geronnene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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ihm ein Mann mit weißer Kutte und einem Bündel Stoff auf dem Arm. Und da ein Junge. Kesriel? Ja, so heißt er. Er ist der Erbfolger.
    Doch das ist nicht alles. Da ist noch mehr, das er wissen muss.
    Ja, sein Name lautet Atrigor. Aber er ist nicht mehr der Kämpfer, der er einst gewesen ist. Der Krieger, der sich gegen die Erbfolge auflehnte. Der sich den Sha'ktanar verschrieben hatte und ihnen bedingungslos diente.
    Jetzt diente er einem anderen Herrn.
    Dem Dunkel! Es wallt durch seinen Körper, erobert Pore um Pore, Faser um Faser, bis es ihn völlig in Besitz genommen hat.
    Nun, da er sich daran erinnert, erlischt das Brennen.
    Und er erinnert sich an noch mehr: Die Quelle des Lebens wäre beinahe untergegangen. Beinahe hätte das Dunkel sie besiegt. Doch noch war der Kampf nicht beendet.
    Atrigor hat bereits einmal erlebt, wie man diesen verfluchten Ort des Guten attackieren kann. Beim nächsten Mal wird er selbst der Angreifer sein.
    Er wird zur Quelle zurückkehren und sie endgültig vernichten. So, wie es sein Herr befiehlt.
    Langsam wendet er sich um. Er will den Erbfolger zwingen, ihm das Tor ein weiteres Mal zu öffnen.
    Da legt sich ihm eine Hand auf die Stirn.
    ***
    »Was tust du da?«, fragte Kesriel.
    »Ich nehme ihm die Erinnerung an sein früheres Leben. Niemals darf jemand erfahren, was er an der Quelle erlebt hat und welche Folgen es hatte.«
    Atrigors Körper erschlaffte unter Merlins Griff. Bevor der Kämpfer zu Boden stürzen konnte, fing Merlin ihn auf und bettete ihn in das Gras vor der Felswand.
    »Wenn er aufwacht, stellt sein Wissen keine Gefahr mehr dar.«
    »Du entlässt ihn ohne Erinnerung und ohne Unterstützung in die Welt?«
    »Er ist ein Krieger, auch wenn er es nicht mehr weiß. Er wird seinen Weg gehen, da bin ich mir ganz sicher.«
    Kesriel zögerte einen Augenblick. »Und Duuna?«
    »Sie werde ich besuchen, wenn wir hier fertig sind.«
    Für Sekunden herrschte Schweigen. Merlin wusste, welche Frage als Nächstes kommen würde. Doch er wollte sie nicht beantworten, bevor der Erbfolger sie gestellt hatte.
    »Und ich?«, brachte Kesriel schließlich hervor.
    »Ich denke, du kennst die Antwort.«
    Kesriels Miene verhärtete sich. »Ich will aber nicht, dass du mir das Gedächtnis nimmst!«
    »Das verstehe ich. Aber du hast schon die Jahrtausende vor diesem Leben vergessen. Kommt es da auf weitere fünfzehn Jahre an?«
    »Wie kannst du so etwas nur sagen? Natürlich kommt es darauf an. All die Erfahrungen, die ich mit meinen Mitmenschen gemacht habe, das Misstrauen, das sie mir entgegenbringen, das Wissen um meine Vergangenheit, die Liebe meiner Mutter - das darfst du mir nicht nehmen! All das macht es doch erst aus, wer ich bin.«
    Merlin atmete tief durch. »Na gut. Vielleicht hast du recht. Es wäre einfacher gewesen, dir sämtliche Erinnerungen zu rauben. Aber bei dir werden wir eine Auswahl treffen. Das erfordert einen zeit- und kraftraubenden Zauber, aber mit ihm können wir vergessen machen, was gefährlich werden kann. Insbesondere die Herkunft der Quelle. Doch ich werde dir noch etwas anderes nehmen müssen.«
    »Und was?«
    »Deine Fähigkeit, das Tor zur Quelle jederzeit zu öffnen. Künftig wirst du das nur noch in Anwesenheit eines Auserwählten tun können. So wird dich niemals ein Unbefugter dazu zwingen können, ihm Einlass zu gewähren.«
    »Einverstanden.«
    »Die bisherigen Gesetze bleiben bestehen: Du darfst einem Auserwählten den Gang zur Quelle nicht verweigern. Versuche dennoch, möglichst immer nur einem den Weg zu weisen. Das sollte die Gefahr verringern, dass so etwas wie heute noch einmal geschieht.«
    »Und wenn ich es nicht vermeiden kann, mehrere Kandidaten zu führen?«
    Merlin strich sich durch den Bart. »Dann müssen wir jedes Mal darüber nachdenken, ob wir dir die Erinnerung daran nicht auch nehmen.«
    Kesriel sah zu Atrigor. »Er wacht langsam auf.«
    »Dann lass uns zum Shevnaron-Gebirge gehen. Auch dort haben wir noch etwas zu erledigen.«
    Mehr verriet Merlin dem Erbfolger noch nicht. Er war in den letzten Monaten ohnehin schon zu offenherzig mit Informationen umgegangen. Diesen Fehler würde er in Zukunft vermeiden müssen.
    Stundenlang stapften sie wortlos nebeneinander her. Aus dem Wald heraus, durch Wiesen, Täler und weitere Wälder.
    Als sie dann wieder vor der wallenden Schwärze standen, brach Kesriel das Schweigen.
    »Während unserer ganzen Wanderung habe ich darüber nachgedacht, aber ich verstehe es immer noch nicht. Wenn an der

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