095 - Ruine der Kopflosen
will den Gespenstern auf die Finger
klopfen, die angeblich letzte Nacht ihr Unwesen trieben. Dieser Brent ist ein
netter Kerl, habe mich lange mit ihm unterhalten. Ich bin ja einer von den
seltenen Schotten, die nicht ernsthaft an Spuk glauben, aber man kann ja nie
wissen. Vielleicht ist was dran an dem, was der Deutsche da von sich gegeben
hat. Ich habe Lust, diesem Brent Gesellschaft zu leisten. Vielleicht lohnt es
sich.“
„Vielleicht
will er nicht gestört werden?“
„Das
wird sich ja rausstellen, Fred. Ich schleiche mich an. Und wenn er gerade mit
einem Burgfräulein poussiert, verdrücke ich mich klammheimlich.“
Morris
O'Hara fuhr tatsächlich Richtung Black Walls.
Fred
blickte dem Fahrzeug nach. Im Rückspiegel konnte Morris O'Hara das geöffnete
Fenster mit dem Kollegen sehen, der seinen Kopf herausstreckte und winkte. Es
war das letzte Mal, daß Sergeant Muller seinen Kollegen so sah.
●
Unruhig
lief Elisabeth Coverey durch das Haus.
Sie
war eine große Frau mit schwarzem Haar und ebenmäßigem Gesicht. Die dunklen,
durchdringenden Augen hatte sie von ihrem Vater geerbt. Das bereitete ihr
manchmal Unbehagen, wenn sie sich im Spiegel betrachtete. Irrsinn war erblich.
Hoffentlich hatte sie nicht die Anlagen, die ihren Vater zu seiner furchtbaren
Tat getrieben hatte.
Elisabeth
Coverey hätte ihn in all den Jahren mal besucht, aber man hatte ihr davon
abgeraten. Sie sollte keine alten Wunden aufreißen. Walt McTobishs Zustand
hatte sich zwar gebessert, aber alles, was ihn an seine Familie erinnerte,
mußte man von ihm fernhalten.
Selbst
Bilder und persönliche Gegenstände, die ihn an eine bestimmte Person
erinnerten.
Elisabeth
war siebenunddreißig Jahre alt. Ihre Haut war glatt und man sah ihr an, daß sie
sich pflegte. Sie trug ein knöchellanges Kleid und war zurechtgemacht, als
würde sie zu einem Festmahl abgeholt. Sogar ihren Schmuck hatte sie angelegt.
John
liebte es, so empfangen zu werden. Er sah seine Frau die ganze Woche nicht, und
wenn er nach Hause kam, wollte er verwöhnt werden. Sie ging in das
Kinderzimmer. Susan und Daniel schliefen. Sie waren beide lange aufgewesen in
der Hoffnung, ihren Vater begrüßen zu können.
Seufzend
zupfte sie die Bettdecken zurecht und verließ auf Zehenspitzen den Schlafraum
der Kinder.
Als
sie durch den Korridor ging, hörte sie draußen einen Wagen. Dem Geräusch nach
war das Johns. Elisabeth hastete zum Fenster und warf einen Blick hinaus. Aber
das Auto fuhr am Haus vorbei und hielt nicht. Elisabeths Unruhe nahm zu, denn
es war fast Mitternacht. Sergeant O'Hara konnte sagen, was er wollte: Da war
doch etwas passiert, und sie wagte nicht, sich auszumalen, was…
Vor
Elisabeth Covereys Augen tanzten Sterne. Sie atmete tief durch und wollte raus
an die frische Luft. Doch es fiel ihr schwer, sich zu erheben. Sie fühlte sich
elend und lief erst in die Küche, wo ihre Medikamente standen. Zwanzig Tropfen
auf einen Löffel Zucker schluckte sie rasch.
Tief
atmete sie durch. Das half oft. Aber nicht dieses Mal. Die Belastung der
letzten Stunden war doch größer gewesen, als sie sich selbst eingestehen
wollte. Sie hatte das Gefühl, als würde ihre Brust zusammengepreßt und der
Sauerstoff ströme nicht richtig in ihre Lungen.
Sie
mußte sich setzen. Nach wenigen Minuten wurde es ihr etwas besser, und sie ging
durch das Wohnzimmer. Die Terrassentür führte direkt in den Garten, der sauber
und gepflegt von Tannen und Lebensbäumen eingegrenzt wurde. Eine große
Rasenfläche breitete sich hinter der etwas erhöhten Terrasse aus. Dort wollte
John im nächsten Jahr mit dem Bau eines Swimmingpools beginnen.
Elisabeth
öffnete lautlos die Terrassentür - und blieb wie festgeschweißt stehen.
Da
vor ihren Füßen! Da war doch etwas!
Ein
dunkler Körper, der an der Hauswand lehnte und halb von der zurückweichenden
Terrassentür gestützt worden war, kippte genau auf ihre Füße.
Der
sandfarbene Anzug, das dunkelblaue Hemd, die dezent gestreifte Krawatte!
„John?“
fragte sie verwundert. Es gab ihr einen Stich durchs Herz. Der kopflose Rumpf
versetzte sie in Panik. „Jooohn!“
●
Elisabeth
Coverey wurde von maßlosem Entsetzen gepackt. Sie fühlte ihren Puls in der
Innenfläche ihres Handgelenkes. Dort pochte und hämmerte es, und die
unregelmäßigen Herzschläge trieben ihr kalten Schweiß aus allen Poren.
Geschockt
taumelte sie durch das Wohnzimmer, fühlte noch jetzt den Druck der Leiche auf
ihren Füßen und ihre Kopfhaut
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