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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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tot, noch bevor er den Boden erreichte.
    Und für Barry Champlain, der starr vor Entsetzen in der dunklen, lautlosen Moderatorenkabine stand, fing der Horror erst an.
    ***
    Schockstarre.
    Und die Tür flog auf.
    Das Monstrum war ein Koloss aus Wut und Energie. Gestalt gewordene Unmöglichkeit. Der Tod auf Beinen.
    Es kam durch die Tür des Studios, nachdem es Steve erledigt hatte, und hielt direkt auf Barry zu. Ohne Gnade, ohne Zögern. Blutverschmierte Pranken, so breit, wie kleine Pfannen, griffen nach ihm, rissen an seinem Shirt, seinen Haaren…
    Es war humanoid, menschenähnlich gar, und doch spürte Barry instinktiv, dass das kein Mensch sein konnte. Zumindest nicht mehr .
    Das Ding war gut 1,90 groß und breitschultrig. Zerfetzte, mit Gras-, Blut- und anderen Flecken übersäte Kleidung, die stank, als sei sie erst vor Stunden aus den Untiefen einer Müllhalde gekommen, klebte an seinem Leib wie eine zweite Haut. Oder aus einem Grab. Weiße, zerzauste Haare auf käsig-bleicher Stirn, das Kinn von Bartstoppeln geziert. Sein Blick war leer, und die Augen - Barry Champlain war, als sähe er in diesen Augen die Leere des Universums und alle Feuer der Hölle zugleich.
    Der Moderator von The Champlain Files schrie auf, wand sich in der Umklammerung des Unheimlichen, und kam tatsächlich wieder los. Seinem in langen Jahrzehnten geschulten Radioverstand entging nicht, dass die Musik in seinen schnurlosen Kopfhörern verklungen und er selbst demnach wieder live auf Sendung war, doch das kümmerte ihn nicht. Durfte ihn nicht kümmern. Einzig die Flucht zählte noch. Nicht mehr als sie.
    Barry musste hier raus!
    Panisch hechtete er hinter sein Pult, umrundete es. Wenn er schnell genug war, konnte er den unheimlichen Angreifer übertölpeln. Solange er ihn nur weit genug vom Eingang weglockte, konnte er diesen vielleicht vor ihm erreichen, wenn er floh.
    Er hatte den mit allerhand technischem Gerät voll gestellten Tisch fast hinter sich gebracht, als sich sein rechter Fuß an einem über den Boden gespannten Kabel verfing und ihn zu Fall brachte. Hart schlug Barry auf dem dünnen Filzteppich auf.
    Weiter, verflucht. Weiter. Steh auf!
    Doch es war zu spät. Mit einem Grölen, das nichts Menschliches mehr an sich hatte, preschte der Angreifer näher und warf sich auf sein am Boden liegendes Opfer. Knochen brachen. Barry war, als sei eine Dampfwalze über ihn gekommen. Der Schmerz drohte, ihm die Sinne zu rauben.
    Nein, nicht so. Bitte nicht so.
    Längst hatte er zu schreien begonnen, und aus den Augenwinkeln sah er das grüne Kontrolllicht auf seinem Pult, das ihm zeigte, dass jeder Laut über den Sender ging. Hinaus zu den Menschen hinter den erleuchteten Hochhausfenstern. »Hilfe!«, krächzte Barry, als das Monstrum ihm zum ersten von vielen Malen die Pranke gegen die Schläfe schlug. »Helft… mir!«
    ***
    Zeit hatte jegliche Bedeutung verloren. Es gab kein Später mehr, kein Vorhin. Nur das Jetzt. Und es war grauenvoll.
    Wie er es geschafft hatte, wusste Barry nicht zu sagen, doch irgendwann befand er sich draußen im Flur, robbte mit letzter Kraft gen Fahrstuhl. Gen Wirklichkeit. Die Stimme der Vernunft in seinem Kopf erinnerte ihn daran, dass das Gefährt bei Stromausfall nicht funktionieren würde, doch das war egal. Alles war egal geworden, nur der Stillstand nicht. Barry musste weiter, denn Stillstand bedeutete den Tod.
    Wieder und wieder spuckte er Blut, hustete es aus seinen Lungenflügeln nach oben und rotzte es wimmernd aufs PVC. Rechts und links von sich sah er die gerahmten Plakate an den Wänden des Ganges, auf denen Sendergrößen wie er selbst freudig strahlend zu ihm hinabblickten - ein stummes letztes Geleit.
    Oh, Barry wusste, dass er sterben würde. Das Schlimme war aber, dass er es nicht verstand. Dieses Ding konnte unmöglich zu seinen Hörern zählen, geschweige denn bis drei zählen. Das war kein intelligentes Wesen, sondern eine Kampfmaschine, ein Tötungsungetüm, ein…
    »Zombie.«
    Das Wort kam über seine Lippen, bevor sein Geist den Gedanken beendet hatte. Ein waschechter Zombie hatte sich zu WNYC geschlichen, um ihn zu erledigen! Die Erkenntnis war so absurd, dass Barry lachen musste. Gegen wahnsinnige Sprücheklopfer, die tote Nagetiere oder Hitler-Memorabilia schickten, hatte er sich stets schützen können - mit Polizei, Waffen und manchmal sogar dem FBI.
    Doch wie schützte man sich gegen Untote?
    Mit einem Mal kam ihm ein Name in den Sinn, an den er lange nicht gedacht hatte. Ein

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