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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Leib das Herz herausgerissen und es Gryf zum Fraß vorgehalten hatten.
    »Mir? Ich fürchte, ich bin nicht das Problem, Monsieur«, antwortete Sipowicz auf seine Frage und lachte leise, humorlos. »Es ist Manhattan. Es - es passiert wieder irgendetwas.« Er zögerte, als schäme er sich für das, was er als nächstes zu sagen beabsichtigte. Deutlich leiser fuhr er fort: »Können Sie kommen? Schnell?«
    Zamorra schluckte. »Die Stadtväter?«
    Andy schüttelte so stark den Kopf, dass Zamorra es tatsächlich hören konnte. »Nein, nein. Die haben sich nie wieder blicken lassen. Diesmal geht es um…«
    »Um?«, hakte Zamorra nach, als der Amerikaner nicht weitersprach. »Raus damit, Andy. Was ist los?«
    Einen Moment herrschte Stille am anderen Ende der Leitung. Dann sagte der junge Sergeant: »Was ich Sie jetzt frage, Monsieur, kann mich meinen Job kosten. Aber ich sehe keine Alternative. Professor, darf ich Ihnen eine Videodatei mailen?«
    ***
    Der Anblick war grauenvoll und dennoch auf eine perverse Art faszinierend.
    Zamorra saß im Computerzimmer des Château Montagne und starrte auf den Bildschirm vor sich. Auf die Aufnahme aus New York. Und auf das Monster, das im Flur eines Radiosenders Amok lief.
    Larry Kring.
    Zamorra hatte den Mann kaum gekannt und erst recht nicht persönlich, wusste aber von seinem Stellenwert im amerikanischen Journalismus. Als er unlängst verstarb, waren auch über die US-Grenzen hinaus die Medien voll von Nachrufen und posthumen Würdigungen gewesen. Und jetzt sah es aus, als sei er von den Toten zurückgekehrt.
    »Verstehen Sie nun, warum ich Ihnen die Bilder zeigen musste?«, fragte Andy Sipowicz aus der kleinen Box der Freisprecheinrichtung, über die Zamorra und der Sergeant ihr Telefonat fortsetzten. »Keine Beschreibung wäre der Wucht dieser Bilder nahe gekommen.«
    Zamorra nickte. Diese Wut. Diese offenkundige Stärke und Skrupellosigkeit. Beides hatte definitiv etwas Unmenschliches. »Und Sie sind sicher, es nicht mit einem makabren Schurkenstück zu tun zu haben? Mit jemandem, der sich - aus Gründen und mit Methoden, die noch zu ermitteln wären - schlicht als Kring ausgibt?«
    »Warum sollte jemand das tun?«, gab Andy zurück. »Die Schuld auf einen Verstorbenen schieben? Weshalb die Mühe?« Er atmete tief durch. »Aber mein Vorgesetzter hegt ähnliche Vermutungen und lässt Kring gerade exhumieren. Wir warten nur noch darauf, dass der Richter das Grab freigibt.«
    Exhumieren? Zamorra hob die Brauen - halb verblüfft, halb anerkennend. Wer immer dieser Vorgesetzte war, er schien Nägel mit Köpfen machen zu wollen. »Kein Mann für offene Fragen, oder?«
    »Zandt? Machen Sie Witze?« Andy lachte leise. »Der würde eher sterben, als dass er irgendwo noch ein Hintertürchen ließe. Die Exhumierung dient für ihn auch nur dem Zweck, die Medien zu beschwichtigen. Es ist mal wieder Hexenjagd im Big Apple.«
    Zamorra nickte. Schon während der Stadtväter-Eskapade hatte sich die New Yorker Presse als sensationslüsterner Moloch erwiesen, der sich nicht davor scheute, Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien zu kolportieren, wenn dadurch nur der eigene Umsatz stieg. Kein Wunder, dass die Journalisten der Stadt nicht lange zögerten, wenn angeblich ein Zombie in ihrer Nachbarschaft umherging. Zamorra konnte sich nur zu gut vorstellen, wie die Lokalpresse bei den New Yorkern Angst schürte.
    »Aber Sie haben Zweifel, ob nicht doch mehr an der Sache dran ist«, sagte er und sah zum Lautsprecher.
    Andy räusperte sich. »Na ja, nach dem Erlebnis mit den Stadtvätern halte ich einfach die Augen auf. Seitdem ich weiß, dass die Welt, wie ich sie kannte, nur eine Fassade ist.« Er zögerte. »Ich bin hellhöriger geworden, Monsieur.«
    Auf dem Monitor hatte Zamorra mittlerweile die Aufnahme angehalten. Nun sah er auf das Standbild der Überwachungskamera, das ihm das Gesicht des vermeintlichen Kring genauer zeigte. Der Angreifer hatte den Kopf in den Nacken gelegt, die Arme ausgebreitet. Blut troff von seinen geballten Fäusten hinab - Champlains Blut. Die Aufnahme war zu dunkel und zu unscharf, um jeden Zweifel an der Echtheit des Gesehenen auszuschließen, aber mit einem Mal hatte Zamorra das Bedürfnis, bei dieser Graböffnung dabei zu sein. Nur für alle Fälle.
    »In Ordnung, Andy«, sagte er fest. »Sie haben mich neugierig gemacht. Versuchen Sie, diese Exhumierung noch einen Augenblick hinauszuzögern. Ich mache mich umgehend auf den Weg zu Ihnen.«
    »Bedaure, Monsieur, aber

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