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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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glaube, wir sind da«,sagte einer der drei mit Schaufeln und Spitzhacken beschäftigten Arbeiter gerade, riss Zamorra aus seinen Gedanken und sah zu Zandt. Seine Kollegen legten derweil den Sarg frei. Nach und nach schälten sich die Umrisse des rechteckigen Kastens aus Edelholz aus dem matschnassen Erdreich.
    Soweit Zamorra es sehen konnte, wies dessen Deckel keinerlei Schäden auf. Ein klassischer Zombie hätte das Holz sprengen müssen, um an die Oberfläche zu gelangen. Also doch eine Finte? Vielleicht bin ich zum Frühstück schon wieder im Château , dachte der Professor. Zumindest, wenn die Amerikaner frühstücken .
    Auf Zandts Anweisung hoben die drei Friedhofsmänner den Sarg aus der Grube, stellten ihn daneben ab und setzten ihre Brecheisen an. Knirschend und ächzend gab das feuchte Holz nach. Andy hielt sich bereits die Hand vor Mund und Nase - doch der erwartete Verwesungsgeruch blieb aus.
    Denn Larry Krings Sarg war leer!
    »Was in Gottes Namen…« Zandt grunzte, ging in die Hocke und starrte in die mit roter Seide ausgelegte Kiste. »Sieht aus wie neu. Kein Leichnam, kein Nichts. Ich will der Spurensicherung nicht vorgreifen, aber ich wette meine Saisonkarte der Yankees darauf, dass hier drin noch nie ein Mensch gelegen hat.«
    Zamorra trat näher, um ebenfalls einen Blick ins Innere des Sargs zu werfen. Zentimeter für Zentimeter sondierte er den Innenraum. Tatsächlich, da war nichts.
    Oder?
    »Andy, könnten Sie mal kommen?«, bat der Meister des Übersinnlichen. »Und bringen Sie Handschuhe mit, bitte.«
    Verwirrt kam der Sergeant an seine Seite, doch als er sah, worauf es Zamorra ankam, nickte er wissend und zog sich die hellen Latexhandschuhe über. Dann griff er ins Sarginnere.
    »Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?«, fragte Zamorra den Lieutenant.
    Im unteren rechten Winkel des Todesschreins lagen drei kleine Gegenstände, die im Halbdunkel dieses regnerischen Morgens kaum aufgefallen waren: eine Feder, eine Art leere und mit Schnitzereien verzierte Garnrolle und…
    »Ist das ein Finger?« Ungläubig riss Zandt die Brauen in die Höhe und sah auf die Objekte, die Andy nun in der vor Ekel zitternden Hand hielt. Insbesondere auf das von eingetrocknetem Blut überdeckte, knapp acht Zentimeter lange Stück Mensch, aus dessen Ende ein weißer Knochen ragte.
    »Lieutenant, würde es Ihnen etwas ausmachen, die Aufnahmen vom WNYC dahingehend zu prüfen, ob unser vermeintlicher Kring noch alle zehn Finger besaß?« Zamorra schluckte. »Ich will Ihnen natürlich nicht in die Arbeit reinreden, aber wenn Sie mich fragen, hat diese Sache gerade begonnen, interessant zu werden.«
    Zandt zögerte einen Moment, dann nickte er. Und grunzte ungehalten.
    ***
    »Nehmen Sie's mir nicht übel, Mr. Santorra, aber Ihre Hilfe wird wirklich nicht benötigt.«
    Der Meister des Übersinnlichen schwieg und ließ die Fakten für sich sprechen. Irgendwo konnte er Zandt sogar verstehen. Wäre er an seiner Stelle, würde es ihm auch nicht gefallen, seine Arbeit mit einem dahergelaufenen und selbst ernannten Fachmann koordinieren zu müssen - erst recht nicht, wenn es sich um eine derart prestigeträchtige Arbeit handelte.
    Sie befanden sich in Zandts Büro im Police Plaza One, dem großen Polizeihauptquartier inmitten Manhattans. Schautafeln an den Wänden zeichneten jede bereits verfügbare Information des rätselhaften Falles in Wort und Bild nach und sorgten dafür, dass auch noch der letzte freie Fleck dieses Zimmers unter Papier und ähnlichen Materialien unterging. Wohin Zamorra blickte, sah er ein Chaos aus Unterlagen, leeren Fast-Food-Schachteln und Kaffeetassen, in dem sich wohl wirklich nur zurechtfand, wer es verursacht hatte. Und der, Lieutenant Steven Zandt, saß zwischen den Aktenbergen wie König Tut auf seinem Thron.
    »Glauben Sie mir, Lieutenant - ich bin nur noch hier, um sicherzugehen. Sobald meine Zweifel ausgeräumt sind, sind Sie mich wieder los.«
    Das war in mehrfacher Hinsicht gewagt, hatte Zandt doch alle Macht der Welt, Zamorra - und wenn er wollte auch Sipowicz, der ihn angeschleppt hatte - achtkantig aus dem Gebäude werfen zu lassen. Doch irgendetwas hielt den stiernackigen Polizeiermittler davon ab. Menschenkenntnis?
    Als sich die Tür öffnete und Andy eintrat, wusste Zamorra, dass sein New-York-Besuch noch nicht beendet war. Er sah es im Grinsen des jungen Mannes. So grinste ein Jäger, wenn er Witterung aufnahm.
    »Lieutenant, wir haben erste Ergebnisse.«
    Andy hatte sich den

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